Wenn die Versicherung mit im Auto sitzt – ein fauler Deal: Rabatt gegen Überwachung!

von Rechtsanwältin Karina Filusch, LL.M.


Erst kürzlich wurde einer Freundin von Deiner Versicherung ein Angebot unterbreitet. Sie könne in die neue Telematik-Autoversicherung oder auch zu „pay as you drive“ wechseln und dabei viel Geld sparen. Telematik klingt doch ganz gut. Irgendwie fortschrittlich und attraktiv. Da greift man als Kunde doch direkt zu, zumal die Versicherung mit Ersparnissen und Vorteilen winkt, oder? Autofahrer*innen, die besonders vorausschauend fahren, können am Ende des Jahres bei einigen Versicherungen sogar bis zu 30% Rabatt auf die Versicherung erhalten sowie andere Boni. Meine Autoversicherung kostet mich ca. 630 EUR im Jahr. 30% davon sind immerhin knapp 190 EUR. 190 EUR sparen! Einfach so?


Was ist eine Telematik-Autoversicherung?

Bei der Telematik-Versicherung benötigen Fahrer*innen eines Kfz einen Stecker, der in den Zigarettenanzünder eingestöpselt wird, eine App, die über Bluetooth oder über einen Sensor mit dem Auto verbunden wird oder eine Blackbox, die direkt mit dem Bordcomputer des Autos verbunden wird. Dies dient dazu, dass das Fahrverhalten an die Versicherung übermittelt werden kann. Notwendig ist dafür eine Internetverbindung oder eine Übertragung über das Mobilfunknetz, ein GPS-Sensor, der den Standort an die Versicherung verschickt sowie Lenk- und Beschleunigungssensoren am Auto. Einige Geräte verfügen angeblich sogar über ein Mikrofon und Lautsprecher. Die Telematik kann also beispielsweise ermitteln wie schnell wir beschleunigen, wie stark wir bremsen, wie wir in Kurven hineinfahren und wann wir wohin fahren und welche Straßenart wir dabei nutzen. Aus unserem ganzen Fahrverhalten wird dann ein Score berechnet, also ein individueller Wert. Manche Versicherungen nennen es auch nicht „Score“ sondern „Medaille“: Je nachdem wie fleißig man der Versicherung das Fahrverhalten übermittelt, erhält man eine Bronze-, Silber- oder eine Gold-Medaille. Nach welchen Kriterien ein solcher Score genau ermittelt wird, lässt sich jedoch nicht herausfinden. Ebenso nicht, was die Konsequenzen aus einem negativen Score sind. Dabei verpflichtet die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Unternehmen dazu, offen zu legen, welche Daten sie genau sammeln, wer sie erhält und zu welchem Zweck sie verarbeitet werden. Auch gibt einem die DSGVO das Recht, ein Auskunftsersuchen an die Unternehmen zu richten. Diese müssen dann unverzüglich offenlegen, was sie mit den Daten der betroffenen Person genau machen.

Die Aufzeichnung und Übersendung des Fahrverhaltens soll zu mehr Verkehrssicherheit auf den Straßen führen. Sagen die Versicherungen. Tatsächlich wird bei der Übermittlung auch erfasst, ob Fahrer*innen sich an die Verkehrsregeln halten wie z. B. ob man sich an das Geschwindigkeitslimit hält, wohin man gerne fährt und wo das Auto so abstellt wird. – Das klingt ja erst einmal so, als würde es tatsächlich zur Sicherheit beitragen. Doch muss meine Versicherung das tatsächlich wissen und ist sie die richtige Ansprechpartnerin für mehr Verkehrssicherheit? Liegt das Monopol für die Sicherheit auf unseren Straßen nicht vielmehr bei der Polizei und dem Ordnungsamt? Gibt es nicht schon Verkehrsschilder, Verkehrsregeln, Blitzer und Kontrollen, die für die Verkehrssicherheit sorgen?

Ist es nicht vielmehr so, dass diese stetige Datenübermittlung andere Vorteile für die Versicherung mit sich bringt? Durch das Tracking – denn letztendlich ist es nichts anderes als ein Tracking – kann die Versicherung auf ganz einfache Weise überprüfen, ob sich die Fahrer*innen an ihre Versicherungspolice halten: Parkt man auch wirklich immer in der Garage, wie das in der Police vereinbart wurde? Sind wir vielleicht oft mal zu schnell unterwegs? Fahren wir manchmal etwas rücksichtlos? Haben wir den Unfall nicht vielleicht selbst verursacht? Die Apps registrieren nicht nur, ob das versicherte Auto gefahren wird, sondern wie oft auf alternative Verkehrsmittel umgestiegen wird wie z. B. öffentliche Verkehrsmittel. Wozu?! – Wie weit das Ganze geht, bestimmt nicht etwa das Gesetz, sondern die Versicherung selbst. Und diese kann die Vorgaben jederzeit selbstständig ändern.

Behauptet wird, dass das Tracking anonymisiert erfolgt. Doch wie kann das sein, wenn man am Ende des Jahres aufgrund seines Fahrverhaltens satte Rabatte einstreichen soll? Auch ist klar, dass die Daten bei schweren Verkehrsstraftaten an die Polizei und die Staatsanwaltschaft herausgegeben werden müssen. Wer sagt, dass unsere Daten nicht an einen Reifenproduzenten weitergegeben werden, wenn wir häufig abrupt bremsen und zu erwarten ist, dass die Reifen bald abgenutzt sein werden?


Ich habe doch nichts zu verbergen!

Das ist eine beliebte Antwort, darauf, ob man sich auf derartige Verträge einlässt. Eine solche Haltung führt dazu, dass man es Konzernen ermöglicht, in die eigenen Freiheiten einzugreifen und den Konzernen dafür ohne eine wirkliche Gegenleistung jede Menge Macht über sich selbst gibt. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass wir über unsere Daten selbst bestimmen können. Das Grundgesetz regelt dies sogar im Grundgesetz. Hier ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geregelt. Dass dieses Grundrecht so weit vorne im Grundgesetz steht, hat eine Bedeutung. Es soll also gut überlegt sein, wann wir dieses Recht durch wen beschränken lassen und was wir dafür als Gegenleistung erhalten möchten. Wie viel ist mir dieses Grundrecht wert? Wie viel ist es mir wert, dass meine Versicherung aufgrund meines Fahrverhaltens ausführliche Nutzerprofile erstellt und mich womöglich in die Kategorie „Raser*in“ steckt und ich diesen Stempel womöglich nur schwer abbekomme? – Ein simples „ich habe doch eh nichts zu verbergen“ genügt jedenfalls nicht, dass mir eine Versicherung derartig in meine Freiheiten eingreift. Auch der Betrag von 190 EUR – also 30 % meines Jahresbetrages für die Versicherung –erscheint mir zu wenig dafür, dass mir meine Versicherung bei jeder Autofahrt im Nacken sitzt und mir stets zur ungewollten Begleiterin wird. Zumal ich vorher gar nicht weiß, ob ich wirklich 30% Ersparnis erhalte, denn es wird mit „bis zu 30%“ geworben. Unter Umständen kann das ganze Tracking am Ende für die Katz sein und ich keinen Cent gespart haben. – Mein Bordcomputer in meinem Auto misst auch mein Fahrverhalten – ohne es mit meiner Autoversicherung zu kommunizieren – ich weiß, dass es unmöglich ist vom Bordcomputer mit 100% belohnt zu werden, oft bin ich bei knapp über 80%, trotz höchster Anstrengung vorbildlich zu fahren. – Genauso schwer ist es bei der Versicherung die 30%-Marke zu erreichen. An den Höchstrabatt heranzukommen, wird fast unmöglich sein. Eine Versicherung wirbt sogar mit dem Slogan „jeder kann nur weniger zahlen“, wenn der Telematik-Tarif genutzt wird. – Erwähnt wird nicht, dass wir mit unseren Daten bezahlen, sodass wir am Ende tatsächlich mehr bezahlen…

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Beitragsbild: © Andreas Hermsdorf / PIXELIO

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