Folge OOIOI*: „Hatespeech“ mit Daniella Domokos

* das ist „Binärisch“ und bedeutet…: 5

Hass im Internet erfahren leider sehr viele Menschen. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass man sich wehren kann. Wie genau das geht, darüber sprechen wir heute mit Daniella Domokos. Sie ist nicht nur Juristin und Bloggering, sondern auch Head of IT bei HateAid und sie war Women of Legal Tech. Mit ihr sprechen wir darüber, wie man Hilfe bekommen kann, wenn man digitale Gewalt erfahren hat, wie man es zur Anzeige bringen kann und warum die großen Unternehmen wie Facebook und Co. eine große Verantwortung haben, ihren Teil gegen Hass im Netz beizutragen. Außerdem erfahren wir mehr über das neue Gesetz gegen Hasskriminalität und Rechtsextremismus und wie dieses Gesetz zukünftig sehr viel zum Guten verändern wird.

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Show-Notes:

Daniellas Blog: Über mich – All about Legal & Technology (allaboutlegaltech.de)

Daniella Domokos (@Akoneira) / Twitter

Die Beratungsstelle bei digitaler Gewalt — HateAid

Rechtssichere Screenshots erstellen – HateAid

Pressemitteilung von HateAid zur Klage Künast gegen Facebook

Deutscher Bundestag – Gesetz gegen Rechts­extre­mismus und Hass­krimi­na­lität beschlossen

Bundesgesetzblatt (bgbl.de)

Transkript

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Karina Filusch: Hallo und herzlich willkommen beim DaSou-Podcast. Wir sind Rechtsexpertinnen und sprechen in jeder Folge über Datensouveränität, abgekürzt DaSou. Ich bin Karina Filusch, Datenschutz-Anwältin und externe Datenschutzbeauftragte.

Aileen Weibeler: Ich bin Aileen Weibeler und angehende Juristin.

Karina Filusch: Wir beschäftigen uns in unserem Büro täglich mit Datenschutz und haben in letzter Zeit vermehrt Fragen zu Hass im Netz erhalten.

Aileen Weibeler: Das war in den Medien präsent, dass die Politikerin Renate Künast sogar Klage eingereicht hat, weil die Bedrohungen und Beleidigungen im Netz einfach überhandgenommen haben. Das fängt allerdings schon auf kommunaler Ebene bei den Politikern an, so zum Beispiel bei Walter Lübke, der sogar ermordet wurde. Allerdings kann es jedem von uns passieren, Hass im Netz zu erleben.

Karina Filusch: Ganz genau und deshalb sprechen wir auch über den Opferschutz und das neue Gesetz zur Bekämpfung von Hasskriminalität, das kürzlich in Kraft getreten ist. Dazu haben wir uns Daniella Domokos eingeladen. Sie war unter anderem Woman of Legal Tech und hat mit nur 26 Jahren ganz schön viel erreicht. Sie ist Head of IT bei HateAid.

Aileen Weibeler: HateAid ist eine Organisation, die Betroffene bei Hass im Netz unterstützt, nicht nur juristisch, sondern auch emotional und psychisch.

Karina Filusch: Und deshalb hat HateAid kürzlich eine neue App herausgebracht. Diese App heißt Meldehelden, über die wir mit Daniella als aller erstes sprechen möchten. Daniella, was hat es auf sich mit der App Meldehelden?

Daniella Domokos: Die Idee war zu sagen, dass das Meldeverfahren, also der Weg von, „Ich habe digitale Gewalt beobachtet“ oder „Ich wurde Betroffener von digitaler Gewalt“ bis zu dem Weg, wo es gemeldet wird an die jeweiligen Strafverfolgungsbehörden zum Teil wirklich sehr, sehr kompliziert ist. Und wir haben gemeinsam mit dem hessischen Justizministerium versucht, mit dieser App erst einmal eben im Pilot den Prozess zu vereinfachen. Und den haben wir jetzt quasi gelauncht und gucken, wie das funktioniert und gehen auch regelmäßig in die Retro-Perspektive und bewerten, ob das wirklich so funktioniert und es weiterhin unsere Erwartungen erfüllt. Und natürlich die von denen, die die entsprechenden Meldungen an uns absetzen.

Karina Filusch: Was denkst du, wie hoch ist die Schwelle für eine Person, die jetzt Hass im Internet gegen sich selbst erfährt, um sich dort selbst zu melden?

Daniella Domokos: Es kommt natürlich immer drauf an. – Typische Juristen-Antwort, ich weiß. Aber tatsächlich ist es sehr kontextabhängig. Wenn Frauen, vor allem, wenn sie mit sexualisierter Gewalt konfrontiert werden, ist das Thema extrem schambehaftet. Und bis man sich Hilfe holt, vergeht zum Teil entweder sehr viel Zeit, in der die Personen sich lange Gedanken machen. Und gleichzeitig ist es aber auch so, dass es von der Strafprozessordnung einem sehr, sehr schwer gemacht wird, weil dort nicht einfach eine anonyme Meldung genügt, sondern ich muss wirklich angeben, dass ich eben davon betroffen bin. Und ich glaube, dass da sehr viel zusammenkommt. Wenn ich beleidigt wurde, in einem alltäglichen Kontext, wo es fast schon salonfähig ist, sich mittlerweile gegenseitig zu beleidigen, dann melde ich das einfach.

Karina Filusch: Das heißt, ich kann diese Meldung auch anonym über eure App machen. Und wenn ich sehe, dass einer Person, die ich vielleicht kenne oder auch nicht kenne, dass diese beleidigt wird, könnte ich rein theoretisch auch für diese Person das melden, auch wenn die Person das vielleicht gar nicht weiß? Oder wie kann ich als solidarischer Mensch die anderen Menschen unterstützen, wenn sie vielleicht gerade so geschockt sind von dem Shitstorm oder den Hass-Meldungen, die sie bekommen?

Daniella Domokos: Wir empfehlen immer solidarisch, wenn sich die Situation ergibt und das nicht überkocht und vor allem, wenn man selbst physisch und psychisch in der Lage ist, das zu stemmen. Schon solidarisch vor Ort Zivilcourage zu zeigen, das heißt in dem Fall falsche Fakten mit der Wahrheit entgegenzutreten. Zu sagen, was du da behauptest, ist einfach schlicht und ergreifend falsch. Und zu sagen: „Hey, du bist hier nicht allein!“ oder sogar gegen die potenziellen Täter*innen entsprechende Kommentare abzusetzen mit „Hey, hör bitte damit auf!“. Damit bezweckst du, die Situation zu entschärfen. Aber ganz wichtig, man sollte sich selbst nie in Gefahr bringen. Also das, was im Analogen existiert bei Zivilcourage, gilt natürlich auch im digitalen Bereich. Wenn man diese Sachen an uns meldet, in dem Fall würden wir aufsuchende Beratung machen, d.h. eine von unserer Berater*innen würde die betroffene Person, wenn dafür die entsprechenden Kanäle offen sind über Twitter, Instagram oder Co., also da wo es geschehen ist per private Message anschreiben und sage: „Hey, wir haben dies und jenes beobachtet. Wenn du Unterstützung brauchst oder einfach mit jemandem reden möchtest, dann sind wir für dich da. Du bist nicht allein.“

Karina Filusch: Wow, da tut ihr wirklich sehr, sehr viel Gutes. Ich glaube, die Person, die ihr unterstützt, sind auch mega dankbar. Wir wollen später noch auf die Personen eingehen. Als ich das erste Mal von eurer App gehört hatte, war die Überlegung, wie viele Personen werden sich da wohl einen Scherz erlauben? Wie geht ihr damit um? Passiert das überhaupt? Oder nehmen die Personen das schon alle sehr ernst?

Daniella Domokos: Bisher haben wir das auch nicht beobachtet. Was wir beobachtet hatten, waren falsche Bewertungen bei den Plattformbetreibern Apple und Android, vor allem bei Android. Dass da Personen Rezensionen zu unserer App abgegeben haben, die einfach nicht stimmen und entsprechende 1-Sterne-Bewertungen vergeben haben. Mit der Zeit nimmt das dann auch wieder ab. Hatten wir tatsächlich bisher nicht den Fall.

Karina Filusch: Okay, das hört sich doch gut an, aber ich weiß gleich, was ich nach unserem Gespräch als erstes mache: Erst einmal eine 5-Sterne Bewertung geben. Daniella, was passiert denn, wenn ich jetzt ins Internet gehe und dort merke, jemand beschimpft mich, jemand beleidigt mich. Ich möchte jetzt etwas dagegen tun. Wie gehe ich denn jetzt damit um? Also wie sieht dieser Verlauf aus mit der App? Dieser ganze Prozess? Wie muss ich mir das vorstellen?

Daniella Domokos: Grundsätzlich ist immer erst einmal die Frage, wie geht es dir dabei? Das heißt, kommst du damit erstmal zurecht zu sagen, ich verarbeite dieses Thema aktiv? Oder brauchst du erst einmal eine gewisse Distanz, um zu sagen, ich kann das emotional verarbeiten? Das ist ein sehr wichtiger Punkt für uns und die Berater*innen, die bei uns arbeiten. Sie leisten deswegen sehr viel emotional stabilisierende Beratung. Weil je nachdem was passiert ist, ist es tatsächlich der Fall, dass man sagt, ich komme damit nicht mehr zurecht. Es gibt auch Menschen, die sich in der Psychotherapie befinden oder sich auch an andere Beratungsstellen wenden, zum Teil sogar in Krisendienst, weil sie sagen, damit komme ich nicht mehr klar. Das kann zum Teil auch das Privatleben erheblich beeinträchtigen, deinen Beruf, deine Familie etc. Und da muss man sich die Frage stellen, hilft mir das, wenn ich mich jetzt damit auseinandersetze? Und dann wäre der nächste Schritt entweder über die App oder sich über unsere Mailchannels bzw. über Signal oder sogar telefonisch kenntlich zu machen und zu sagen, pass auf, liebes HateAid-Team, ich bin jetzt Betroffener von digitaler Gewalt. Dies und jenes ist passiert. Ob ihr mir bitte helfen könnt? Und ganz, ganz, ganz wichtig ist – und das ist tatsächlich aktuell eine der größten Baustellen, die wir haben – ist das rechtssichere Screenshooting von den Vorfällen. Das heißt, dass die Beweise in einer Form gesichert werden, die vor Gericht verwertbar ist. Es kann sein, dass jemand sich später dagegen entscheidet, rechtliche Schritte einzuleiten. Aber falls man zwei, drei, vier Wochen später sagt, okay, ich möchte jetzt doch den potenziellen Täter in Verantwortung ziehen, dann geht es nicht mehr, wenn der Kommentar z.B. schon gelöscht wurde oder das gesamte Geschehen schon weg ist. Und da gibt es ein paar Faktoren, auf die man achten soll. Ich weiß nicht, ob du die in den Shownotes später ablegen könntest. Wir haben eine sehr gute Anleitung auf unserer Webseite dazu, aber die Kurzfassung ist, dass Uhrzeit und Datum des Kommentars ersichtlich sein muss, der Gesamtzusammenhang ersichtlich sein muss. Also auf was bezieht sich das Ganze? Die Plattform muss ersichtlich sein, der potenzielle Täter*innen-Namen. Am besten macht man einen Screenshot vom gesamten Fenster. Das funktioniert tatsächlich bei Desktop-PCs oder Tablets deutlich besser als bei Smartphones, weil dort z.B. die entsprechende Information gar nicht erst angezeigt werden. Und was außerdem wichtig ist, ist, dass der URL gesichert wird, d.h. der URL des Kommentars oder des Beitrages, der potenziell rechtlich relevanten Inhalt haben kann. Digitale Gewalt ist nicht nur das, was rechtlich relevant ist, sondern auch das, was mich angreift. Das, was mich stört, das, was mich in meinem Wohlbefinden beeinträchtigt. Und da sind auch Fälle, wo wir sagen, das ist vielleicht nicht rechtlich relevant, aber wenn es dir damit nicht gut geht, sind wir trotzdem für dich da.

Karina Filusch: Das klingt super. Ich fühl mich jetzt schon total wohl bei euch, wenn ich das so höre. Du hattest gerade am Anfang deiner Antwort gesagt, dass man erstmal gucken soll, wie es einem selbst geht. Es gibt Menschen, das weiß ich von eurer Website und aus allen Interviews, die psychisch wirklich sehr schlimm darunter zu leiden haben und sogar depressiv werden. Und eine Depression kennzeichnet sich dadurch, dass man mit Sachen überfordert ist. Es können aber auch andere Gründe sein. Es kann z.B. sein, dass man die technischen Möglichkeiten oder Kenntnisse nicht hat, so eine Anleitung zu befolgen. Unterstützt ihr die Person dann auch bei diesen Sachen, um das zu verfolgen?

Daniella Domokos: Auf jeden Fall, wir schauen immer, dass, wenn so ein Fall passiert, dass wir entweder Familienangehörige oder gute Freunde involvieren. Also wenn jemand entsprechende Probleme oder Schwierigkeiten hat, womit er oder sie zu kämpfen hat, dann fragen wir immer, hast du jemanden, der oder die dir erst einmal einfach deine Hand hält, wo du einfach hingehen kannst, du sagen kannst, hier kümmert sich jemand darum. Und wir hatten tatsächlich schon Fälle, wo dann eine gute Freundin sich bei den Konten der betroffenen Person angemeldet hat, die entsprechende Datensicherung gemacht hat und uns dann hat zukommen lassen. Und wir konnten eigentlich die meisten unserer Ressourcen dafür einsetzen, der Person tatsächlich die Beratung zu liefern, die sie braucht oder eine Verweisberatung zu machen zu einer Expertin oder zu einem Experten, der oder die dann besser weiterhelfen konnte.

Karina Filusch:  Wie sieht es denn dann aus? Also jetzt ist die Meldung erfolgt, z.B. über eure App oder über Signal. Das finde ich auch sehr cool, dass ihr auch solche Kanäle anbietet oder übers Telefon. Und was passiert dann eigentlich?

Daniella Domokos: Also, wenn es über die App erfolgt, dann landet es automatisch in unserer Datenbank, wenn es über die anderen Kanäle erfolgt, dann wird das manuell von unserer Seite aus eingepflegt. Die gibt es noch nicht lange, aber das ist tatsächlich eine der Schnittstellen, an der wir noch arbeiten, das weiter effektiv zu gestalten oder zu verbessern. Jedenfalls ist es so, wir schauen uns das immer erst mal an. Wir gucken immer an, sind die Screenshots alle mitgeliefert worden, was ist überhaupt der Gesamtzusammenhang? Wenn z.B. akute Gefahr im Verzug ist, dann rufen wir entweder den oder die Klient*in sofort zurück. Oder wenn das im telefonischen Gespräch ist, dann bleiben wir natürlich auch dran. Wir hatten auch schon Fälle mit Bezug zu Suizidalität, wo wir dann auch gucken mussten, was ist die richtige Vorgehensweise? Ist da nicht sogar wichtig, dass die Polizei informiert wird? Das geschieht immer in Absprache mit den Betroffenen. Und dann gucken wir uns den Sachverhalt an. Das heißt, was ist eigentlich vorgefallen? Was ist geschehen? Wir reden auch nochmal miteinander. Es ist rechtlich immer so ein bisschen die Frage, hab ich z.B. jemanden provoziert? Hab ich jemand anderen selbst beleidigt? Wir nehmen keine umfassende rechtliche Würdigung vor. Das können wir auch nicht stemmen. Wir sind eine Beratungsstelle, aber wir filtern ein bisschen vor, was an unsere Partnerkanzleien weitergeleitet wird oder nicht. Ganz wichtig sind aber, dass erstmal Formalien, erledigt werden müssen. Das kennst du auch. Datenschutz-Einwilligungen einzuholen oder, dass wir wissen, diese Person meint es mit uns ernst, denn wir hatten auch schon Fälle, wo wir gesagt haben, wir können dich sehr gerne beraten. Allerdings müsstest du davor die Vollmacht unterschrieben haben und da hat jemand gesagt: „Nee, da habe ich kein Bock drauf.“ Und das ist dann die Frage, wo man sagt, okay, wie ernst meinst du das?

Karina Filusch: Okay, das heißt ihr unterstützt die Person bei der Meldung, bei der Polizei gegebenenfalls, wenn das passt und die Person das wünscht auch bei der Staatsanwaltschaft und Anwälte hast du auch gerade erwähnt. Ich habe gelesen, ihr finanziert sogar in bestimmten Fällen die Prozesse mit, nicht wahr?

Daniella Domokos: Genau. In bestimmten Fällen bieten wir auch Prozesskosten-Finanzierung an. Das geschieht dann in Kooperation mit unseren Partneranwälten und -anwältinnen. In dem Fall wird der oder die Betroffene einfach Mandant von der Kanzlei, die wir dann weitervermitteln und das entsprechende Verfahren nimmt seinen Lauf. Aber das ist dann der Punkt, wo wir persönlich auch nur noch weiterhin bei Bedarf beraten und die rechtlichen Schritte tatsächlich die Kanzleien übernehmen. Was wir dann allerdings machen, ist zum Beispiel Fälle, bei denen die sogenannten Offizialdelikte, der Missbrauch von bzw. Nutzung von verbotenen Kennzeichen z. B. das sind dann die Sachen, die wir dann auch selbst an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, weil dort das Bedürfnis nicht besteht, dass die betroffene Person irgendwelche personenbezogenen Daten an die Staatsanwaltschaft weiterleiten sollen.

Karina Filusch: Vielleicht noch als Hintergrund: Offizialdelikt sind diese Delikte, die von Amts wegen zu verfolgen sind, sobald die Staatsanwaltschaft Kenntnis davon hat. Wie ist denn die Resonanz nicht nur auf eure App, sondern generell auf das Angebot, was ihr macht, was ja wirklich großartig ist?

Daniella Domokos: Ich würde gerne sagen, dass es seit unserem Bestehen abgenommen hat. Einfach weil das Bedürfnis nicht mehr besteht. Aber tatsächlich ist es so, dass die Anzahl der Betroffenen, die uns pro Woche kontaktieren, sogar exponentiell zunimmt. Das Angebot wird gerne angenommen, auch wenn es wirklich nur eine emotional stabilisierende Beratung ist, um zu sagen, du bist nicht allein, das wird schon wieder werden. Aber wir haben auch wirklich die spannendsten Fälle von Google-Falsch-Rezensionen, über Doxing, über Mitteilungen von irgendwelchen Genitalien durch das männliche Geschlecht per Privatnachricht und ähnliche Vorfälle. Das ist sehr spannend und ich persönlich hätte auch nicht gedacht, dass digitale Gewalt so viele Dimensionen haben kann.

Karina Filusch: Dann kommen wir doch gleich mal zu konkreten Fällen, damit es nicht nur so abstrakt bleibt. Du hast gerade das Stichwort Doxing erwähnt. Vielleicht kannst du sagen, was Doxing ist und vielleicht gleich ein Beispielfall nennen?

Daniella Domokos: Als Doxing wird ein Vorfall bezeichnet, wo die Privatadresse von einer Person veröffentlicht wird. Nicht unbedingt zu dem Zwecke, dass man eine Postkarte zuschickt, sondern einfach, um die Person unter Druck zu setzen oder zu bedrohen. Es gibt zahlreiche Beispiele aus sozialen Netzwerken, z.B. wo Influencer*innen in ihrem Briefkasten verfaulte Eier vorfinden. Oder wir hatten letztes Jahr einen Vorfall, bei der eine Person Pizza-Lieferungen zu sich nach Hause erhalten hat. Und der erste Gedanke ist natürlich, saugeil, du bekommst einmal am Tag eine Pizza und du musst es auch im Zweifel nicht bezahlen. Aber das, was dabei entsteht, ist, dass man sich zu Hause nicht mehr sicher fühlen kann. Das heißt, diese Schutzwirkung der eigenen vier Wände, die verschwindet und man hat einfach jedes Mal ein mulmiges Gefühl. Und das ist genau das, was die Täter*innen vermitteln wollen,  dieses Gefühl, wir wissen, wo du wohnst. Und im Fall der Fälle können wir dich finden und können dir andere Sachen antun.

Karina Filusch: Es gibt auch noch Politiker*innen, die auch sehr stark betroffen sind von Hass im Netz. Und habt ihr gerade einen sehr prominenten Fall?

Daniella Domokos: Natürlich der Fall von Renate Künast. Mit ihr arbeiten wir auch sehr, sehr eng zusammen und wir verklagen Facebook, falls die Zuhörer*innen unsere letzte Pressemitteilung nochmal nachlesen möchten. Bei Politiker*innen und vor allem bei Kommunalpolitiker*innen ist gerade das große Problem, dass sie lokal sehr engagiert und sehr aktiv sind. Das heißt, deren Namen sind bekannt. Ich wohne neben denen. Die sind sehr, sehr nah. Und deren Engagement ist aber trotzdem nicht immer im Interesse von allen. Es ist natürlich, das ist das, was Demokratie gerade ausmacht. Ich kann es nicht immer allen recht machen und der Ton wird rauer und das Engagement dieser Personen wird immer schwerer. Wenn ich weiß, wo sie wohnen, wenn ich im Zweifel mit ihnen in derselben Arbeitsstätte arbeite, weiß ich natürlich, dass sie nicht Vollzeit arbeiten oder oft nicht Vollzeit-Tätigkeit ausüben können. Da stehen sie viel, viel näher als z.B. Bundespolitiker*innen. Und da hab ich viel einfacher die Möglichkeit, diesen Personen irgendetwas anzutun.

Karina Filusch: Könntest du vielleicht uns noch erzählen, was beim Fall Künast so revolutionär ist? Also das Urteil, was dabei rauskommt, das wird glaub ich, die Welt echt ein Stückchen besser machen.

Daniella Domokos: Bei der Künast gegen Facebook Klage, wenn man das so nennen möchte, geht es darum, dass Social-Media Betreiber bzw. Plattformen, die unter das NetzDG (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) fallen, verpflichtet sind, nicht nur Inhalte zu löschen, die gegen Gesetze verstoßen, sondern auch inhaltsgleiche Meldungen. Das heißt, es geht im Grunde genommen darum, dass wenn ich einen bestimmten Inhalt über Frau Künast einmal verbreitet habe. Das wird nicht einmal dabeibleiben. Ich habe diesen Kommentar einmal abgesetzt und z.B. bei Twitter kann das mehrfach erwidert werden. Inhalte, die einfach mehrfach geteilt werden, sollen nicht nur einmal von dieser Plattform entfernt werden, diese Inhalte tauchen einfach immer wieder auf. Und da wären eigentlich die Plattformbetreiber verpflichtet, diese Inhalte zu löschen. Das tun sie aber nicht. Und da haben wir gesagt, okay, das reicht jetzt. Frau Künast ist ein Beispiel, ein Vorbild für alle anderen, wo wir gesagt haben, anhand dieses Vorfalles soll endlich Klarheit geschaffen werden und z.B. Facebook soll seinen Pflichten endlich nachkommen und diese Sachen löschen.

Karina Filusch: Großartig! Ich freue mich sehr auf dieses Urteil und glaube wirklich, dass es viel bewirken wird. Eine andere Frage: Es ist ein Gesetz erlassen worden, ein Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität. Das gibt es jetzt erst seit wenigen Wochen und ich frage mich… Daniella schmunzelt hier schon, weil ich sie vorher in der Vorbesprechung gequält habe und sie tausendmal gefragt habe, wie heißt denn dieses Gesetz? Es kann sich kein Mensch merken. Aber was hat dieses Gesetz mit diesem langen extrem komplizierten Namen denn für Vorteile für euch?

Daniella Domokos: Das Gesetz ist wirklich sehr weitreichend und hat oder greift sehr, sehr viele Dimensionen auf und geht auf sehr vielen Ebenen gegen eben Rechtsextremismus und Hasskriminalität vor. Da gibt es wirklich, ich sage mal viele gute Gedanken darin, aber auch viele Themen, die sehr umstritten oder sehr fragwürdig sind, also z.B. die Übermittlung der unverschlüsselten Passwörter bzw. eine Übermittlung der eigentlich verschlüsselten Passwörter, denn wir wissen ja, dass nach Datenschutz, Passwörter verschlüsselt werden müssen. Es gibt so ein paar Fragen, wo man sich dann denkt, das ist nicht ganz durchdacht. Für uns war einer der sehr wichtigen Aspekte zu betonen, dass wir den kleinen Zeugenschutz nach § 68 StPO für sehr wichtig halten. Bei Verfahren vorm Strafgericht ist es so, dass am Anfang die Zeugen z.B. gefragt werden, wo ist Ihr Wohnort, wie ist Ihr Name? Und da muss man vor Augen führen, dass eben diese Person in dem Moment mit dem potenziellen Täter konfrontiert wird. Das heißt, sie hören diese Sachen im Verfahren, Und gleichzeitig ist es auch so, dass die Anwält*innen vom Täter oder von der Täterin Akteneinsicht beantragen können. Wenn in dem Fall die privaten Daten von den Betroffenen drinstehen würden, dann hätten wir wieder ein sehr großes Potenzial für Doxing Fälle, weil eben diese potenziellen Täter*innen, wenn sie verurteilt werden, sich auch rächen wollen. Insgesamt ist es aber leider so, dass uns die Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden ein bisschen fehlt. Also salopp formuliert, mir bringt das nichts, wenn ich jetzt fünf weitere Straftatbestände habe. Wenn ich dann zu der Polizei gehe und es dann heißt, ja, wieso? Sie können sich doch einfach abmelden in den sozialen Netzwerken. Sie müssen diese Plattform nicht mehr bespielen. Oder wenn ein Verfahren mangels öffentlichen Interesses eingestellt wird, obwohl das öffentliche Interesse ja gerade wohl darin bestehen, ja darauf gerichtet sein würde, dass diese Delikte eher verurteilt werden, damit es klar wird, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.


Karina Filusch:
 Ich bin total dankbar, dass du genau dieses Beispiel gewählt hast. Zu den Fällen, die ich bearbeite, gehören auch Doxing Fälle sowie Revenge-Porn, wo dann z.B. intime Aufnahmen, Videos verbreitet werden, die man eigentlich in der Partnerschaft geteilt hatte. Und wie oft hatte ich dann schon Mandant*innen, die dann gesagt haben, oh, meine Adresse wird dann bekannt gegeben? Nein, dann will ich auch nicht rechtlich dagegen vorgehen. Und es hat mich schon immer gequält, dass die Leute sich so haben abschrecken lassen. Deswegen vielen lieben Dank, dass Du genau dieses Beispiel ausgewählt hast. Was hat dieses Gesetz an Lücken noch nicht geschlossen? Muss da vielleicht noch irgendwo Lobbyarbeit betrieben werden? Oder haben wir jetzt an alles gedacht? Wahrscheinlich eher nicht.

Daniella Domokos: Wir haben ja das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), wo Plattformen darunterfallen, die eine bestimmte Anzahl an Nutzer*innen haben. Ich meine, das sind zwei Millionen, wo man sich natürlich die Frage stellen kann: Ist das jetzt ausreichend? Es gibt genug sehr spezifische Plattformen, wo ein gewisser Schlag an Menschen sich bündelt, die einfach ein gemeinsames Interesse haben. Das sind Plattformen, die z.B. nicht der Allgemeinheit offen gegenüber sind wie z.B. Twitter oder Instagram, sondern kleinere Plattformen, wo z.B. ein spezifisches Interesse als gemeinsamer Aufhänger praktiziert wird, dass diese Nutzer*innenzahlen gar nicht erreicht werden kann in dem spezifischen Land. Und da ist dann aber die Frage, das sehen wir z.B. in diesem Gaming-Bereich, dass Gewalt dort eben auch ein Thema ist. Und deswegen ist z.B. eben die Frage, ob man diese Schwelle nicht nach unten setzen könnte. Und das führt mich zu dem anderen Thema, Europarecht. Es ist eben die Frage, dass bei uns aktuell das Territorialprinzip gilt, sodass die Plattformbetreiber sich sehr einfach sagen können, wendet euch an die Strafverfolgungsbehörden z.B. in Irland. Da sind wir z.B. der Meinung, dass für Telemedien das Marktortprinzip eingeführt werden sollte, damit Social-Media-Plattform dort zur Rechenschaft gezogen werden können, wo sie ihr inländische Geschäftstätigkeiten durchführen,

Karina Filusch: Sodass sie nicht ihren Sitz verlegen können und dann, wie du gesagt hast, behaupten können, sie unterfallen milderen Gesetzen, sondern dass sie dort zur Verantwortung gezogen werden, wo sie auch wirklich tätig sind. Ja, das wäre in der Tat äußerst sinnvoll.

Ein anderes Problem, das ich z.B. auch sehe, ist, dass wir ein staatliches Monopol, einem privaten Unternehmen aufbürden. Im Grunde sollen Facebook und Co. die Aufgabe einer Strafverfolgungsbehörde übernehmen, indem sie Sachen löschen, indem sie Sachen ans BKA melden.

Daniella Domokos: Die Frage ist, ob sie das tatsächlich tun würden. Das wissen wir aktuell nicht bzw. sie sagen zwar, dass sie Inhalte löschen, aber ich habe die Inhalte relativ schnell wieder eingestellt und damit sind sie ja nicht weg vom Fleck. Und nachdem nach deren Algorithmen wissen wir, dass z.B. Gewalt-Kommentare genauso geranked werden wie Katzenbilder. Und da muss man sagen, wenn sie ein wirtschaftliches Interesse daran haben, entsprechende Inhalte zu verbreiten, dann werden sie es aktuell nicht löschen. Und vor allem wissen wir auch, dass sie nicht unbedingt juristisch geschultes Personal dafür einsetzen, wo jetzt wieder die von dir genannten Argumente zum Teil kommen. Andererseits ist es auch so, dass das BKA nicht die entsprechenden Kompetenzen hat. Normalerweise ist es so, dass wenn du entsprechende Informationen bekommen möchtest, also jetzt z.B. bei dem konkreten Fall der Übermittlung der IP-Adresse an das BKA durch das Rechtsextremismus-Bekämpfungs-Gesetz, würde das BKA entsprechende Befugnisse erhalten, die man normalerweise dann hat, wenn die Staatsanwaltschaften einen Anfangsverdacht hätten. Und das funktioniert einfach nicht. Also ich kann nicht dem BKA die Möglichkeit schaffen, so viele personenbezogene Daten anlasslos zu verarbeiten, weil wenn kein Anfangsverdacht besteht, was ja durch die Staatsanwaltschaften festzustellen ist, und nicht durch Facebook noch durch das BKA, dann haben sie ein extrem weitreichendes Pool an privaten Daten, die erstmal zur Verfügung stehen und wer weiß schon, was dann damit passiert.

Karina Filusch: Also müsste der Prozess eigentlich anders ablaufen, so wie du es beschrieben hast. Leider hat es das Gesetz nicht berücksichtigt, in der Tat. Also haben wir noch ein bisschen was vor. Es gibt also Gesetzeslücken. Es wird hoffentlich irgendwann in der Zukunft auch noch nachgebessert bei diesem Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität. Ich werde das hoffentlich jetzt nicht mehr vergessen. Ich habe noch eine letzte Frage an dich, liebe Daniella, was ist denn das so für dich DaSou?

Daniella Domokos: Das ist ja deine sehr passende Abkürzung für Datensouveränität und ich muss, damit ich die entsprechende Rechte und Befugnisse, die mir durch die Datensouveränität an meinen Daten zustehen, ausüben kann, muss ich erst einmal wissen, was sind Daten, was sind meine Daten? Was mache ich mit meinen Daten, wenn ich tagtäglich im Internet surfe? Und das ist für mich Allgemeinbildung, d. h. es gehört für mich in die Schulen. Das gehört für mich meinetwegen sogar in die Kindergärten, wenn man das spielerisch an die Kinder vermitteln kann. Es gehört für mich an die Universitäten und es gehört für mich ganz eindeutig auch in die Unternehmen und auch in die Verwaltung, dass wir alle Digitalkompetenz haben, wissen, was mit unseren Daten passiert und dann entsprechend auch unsere Rechte ausüben können. Die durch Datensouveränität eben uns gewährleistet werden.

Karina Filusch: In der Schule hätte ich auch gerne so ein Fach wie DaSou gehabt. Ich glaube, das hätte mir sehr im Leben geholfen und ich glaube, ich hätte so auch andere Menschen unterstützen können

Aileen Weibeler: Also falls euch sowas passiert ist, ihr seid nicht allein und es gibt Möglichkeiten sich zu wehren.

Karina Filusch: Indem ihr euch zum Beispiel an HateAid oder andere Organisationen wendet. Danke, dass ihr dabei wart bei diesem wichtigen Thema.

Aileen Weibeler: Wenn ihr eine Frage zu DaSou habt, schickt uns eine E-Mail an hallo@dasou.law oder folgt uns auf Twitter und Instagram dasou_law. Abonniert uns auch gerne bei euerm Lieblings-Podcast-Anbieter.

Karina Filusch: Danke fürs Zuhören!

Aileen Weibeler: Bis bald!

Karina Filusch: DaSou ist eine Produktion der Kanzlei Filusch. Mehr Infos findet ihr auf unserer Website www.dasou.law. Der Jingle wurde komponiert von Mauli, die Idee zu DaSou hatte Axel Jürs, das Cover hat Hélène Baum erstellt, beraten wurden wir von Susan Stone, editiert wurde der Podcast von Christoph Hinners.

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Karina Izabela Filusch, LL.M.

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