Folge OIOIO*: „KI, wir müssen reden“ mit Dr. Julia Schneider

Künstliche Intelligenz in einen Comic packen – geht das überhaupt? Genau das haben Dr. Julia Schneider und Lena Kadriye Ziyal geschafft, um uns allen das Thema KI näherzubringen und Ängste abzubauen. Mit ihr sprechen wir darüber, was künstliche Intelligenz überhaupt ist, wieviel Intelligenz eigentlich in ihr steckt und an welche ethischen Grenzen wir stoßen können. Wer jetzt denkt, dass KI ihn nicht betrifft, der irrt. KI ist aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken, ob beim Routen planen von A nach B, die große Liebe in der Online-Welt finden oder Serie und Filme vorgeschlagen zu bekommen, die zu einem passen könnten. Das kommt euch bekannt vor? Dann hört gerne rein und erfahrt, was eigentlich dahintersteckt.

Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns gerne eine Mail an hallo@dasou.law und folgt uns auf Twitter/Instagram bei dasou_law.

Show-Notes

Dr. Julia Schneider auf Twitter: https://twitter.com/Docjsnyder

Website von Dr. Julia Schneider: https://docjsnyder.net/

„We need to talk, KI“ als Creative Common Lizenz zum Download: https://weneedtotalk.ai/

„KI, wir müssen reden“ als Taschenbuch: https://www.kulturkaufhaus.de/de/detail/ISBN-9783750246256/Schneider-Julia/Ki-wir-m%C3%BCssen-reden?bpmctrl=bpmrownr.3%7Cforeign.341568-1-0-0

Transkript

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Karina Filusch: Hallo und herzlich willkommen beim DaSou Podcast. Ich bin Karina Filusch, Datenschutz-Anwältin und externe Datenschutzbeauftragte. In jeder Folge sprechen wir mit einer Expertin oder einem Experten über Datensouveränität, abgekürzt DaSou. Schön, dass auch du heute wieder dabei bist und uns zuhörst, während wir über ein spannendes Thema reden. Vielleicht hast du uns auch schon abonniert. Wenn nicht, tu das gerne und lass uns auch gerne eine Bewertung da. Darüber freuen wir uns sehr.


Jakob Schüssler: Herzlich willkommen auch von meiner Seite. Ich bin Jakob Schüssler. Ich studiere Jura an der Universität Hamburg und mache zurzeit ein Praktikum in der Kanzlei.


Karina Filusch: Ja, vielen lieben Dank, Jakob, dass du heute dabei bist und mir geholfen hast, diese spannende Folge vorzubereiten. Wir sprechen heute über KI. Das ist kurz für Künstliche Intelligenz. Dazu haben wir uns einen großartigen Gast eingeladen, nämlich Dr. Julia Schneider, die promovierte Volkswirtin und Beraterin im Bereich Künstliche Intelligenz ist. Sie hat einen Comic bzw. ein Comic Essay mitgeschrieben. Liebe Julia, wie kamst du denn dazu, ein Comic Essay über Künstliche Intelligenz zu verfassen?


Julia Schneider: Ich war in meinem letzten Job, bevor ich Comic Essayistin wurde, Beraterin für Künstliche Intelligenz. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe ich gemerkt, dass viele Menschen, die sich nicht so sehr mit dem Thema beschäftigt hatten, Angst vor Themen hatten, vor denen ich keine Angst hatte. Umgekehrt fanden sie Themen im Zusammenhang mit KI unproblematisch, die ich problematisch fand: z.B. eine Homogenität bei Leuten, die künstliche Intelligenz entwickeln, Probleme der Nachhaltigkeit oder eben Datensouveränität. So kam es dann zu der Idee, meine beiden Leidenschaften, Comics und künstliche Intelligenz, zusammenzubringen. Das hat gut funktioniert. Mittlerweile haben wir über 50 000 Downloads aus der ganzen Welt und sind so unserem Ziel nähergekommen, Schwellenängste vor KI abzubauen und dazu einzuladen, sich an der für uns so wichtigen Diskussion über Sinn und Zweck von KI für unsere Gesellschaft zu beteiligen.


Karina Filusch: Euren Comic gibt es auf eurer Website in verschiedenen Sprachen kostenlos zum Herunterladen. Wir werden euch die Website in den Shownotes verlinken. Die deutsche Version kann man sich sogar als Taschenbuch besorgen. Das habe ich auch getan, denn der Comic ist sehr schön. Du bist die Autorin des Comics, nicht wahr? Wer hat den Comic gemalt oder gezeichnet? Da hattest du Unterstützung bekommen.


Julia Schneider: Der Comic ist eine sehr schöne Zusammenarbeit von Bildebene und Textebene. Ich war für die Textebene zuständig und Lena Ziyal war für die Bildebene zuständig. Die Bildebene sorgt nochmal für eine neue Ebene und erklärt KI auf eine andere Art als Wörter das könnten.


Karina Filusch: Du hast auch noch ein anderes, großartiges Projekt. Kannst du uns kurz von deinem neuen Projekt berichten? Wann können wir uns darauf freuen?


Julia Schneider: Wir arbeiten gerade mit einem anderen Team an einem Comic Essay über Geld mit dem Titel „Money Matters“. Dieses wird im September auf der Website „moneymatters.art“ auch wieder frei unter CC-Lizenz zum Download verfügbar sein. Der Comic handelt von der verrückten Welt des Geldes von Meeresschnecken bis zu Blockchains. Wie wir alle wissen – insbesondere auch durch die Diskussionen zu Kryptowährungen, verändert sich hier gerade sehr viel. Auf der einen Seite haben wir weltweit eine wachsende ökonomische Ungleichheit, auch in Deutschland. Auf der anderen Seite sehen wir vielleicht aber auch eine Demokratisierung der Finanzwelt.


Karina Filusch: Falls ihr bei der Aufnahme Vogelgeräusche hört – die liebe Julia ist gerade im Urlaub und hat sich im Urlaub extra Zeit für uns genommen. Ich finde das besonders schön. So hat die Folge einen besonderen Urlaubstouch für diejenigen, die gerade in Deutschland sind und nicht wegkönnen. Sie reisen jetzt gerade mit Julia und uns in den Urlaub. Julia, steigen wir doch gleich direkt ins Thema ein. Bleiben wir doch bei der KI. Auf einen Satz gebracht: „Was ist denn KI alles und was braucht es dafür eigentlich alles?“.


Julia Schneider: Du hast eben einen Moment gezögert und es ist auch tatsächlich so, dass KI, also der Begriff künstliche Intelligenz, schwer definierbar ist. Dennoch wird er in der Presse und auch in der Forschung und Entwicklung verwendet. Wir haben schon Schwierigkeiten, menschliche Intelligenz zu definieren. Umso schwieriger ist es, künstliche Intelligenz zu definieren. Wenn wir uns jetzt mal darauf einlassen und sagen (wie ich es im Comic auch getan habe), dass Intelligenz die Fähigkeit ist, die Essenz einer Sache zu erkennen bzw. mit Bewusstsein und mit einer Intention sowie mit der Vorstellung von „Was wäre, wenn …?“ zu denken, dann ist KI nicht intelligent. Aus sich heraus ist KI oder eben artifizielle Intelligenz bzw. künstliche Intelligenz vielmehr die Fähigkeit von der Maschine, menschliche Fähigkeiten, die wir mit Intelligenz assoziieren, zu imitieren, also nachzumachen. Dazu fallen mir das logische Denken, Lernen, Planen, Sortieren oder das Machen von Vorhersagen ein. Im Moment handelt es sich bei KI zumeist um Aufgaben, die mit Wiederholung und vielen Daten zu tun haben. Zur KI gehören zwei Elemente. Das wird auch im Comic angesprochen. Auf der einen Seite gibt es die Rechenvorgänge. Inzwischen sagen wir dazu Algorithmen. Diese gibt es zum Teil schon sehr lang. Auf der anderen Seite gibt es die Technik, die in den letzten Jahren vor allem im Bereich Computer-Hardware und Big Data wahnsinnige Fortschritte gemacht hat. Diese Daten haben sich durch das Internet und durch die Verwendung von digital mobilen Endgeräten immer stärker vermehrt. Das nutzt die künstliche Intelligenz. Im Rampenlicht von künstlicher Intelligenz standen in den letzten Jahren vor allem künstliche neuronale Netze. Das sind auch Algorithmen, also Rechenvorgänge, die unsere Art des Lernens imitieren. Das hat die größten Durchbrüche gebracht und erklärt, warum wir jetzt so viele Anwendungen haben, die es vor 20 Jahren noch gar nicht gab.


Karina Filusch: Künstliche neuronale Netze. Diesen Begriff habe ich schon öfter mal gehört, vor allem im Zusammenhang mit Sprachassistenten, zum Beispiel Siri, Cortana, Alexa und Co. Könntest du uns noch sagen, wo noch überall eine KI verbaut ist, damit wir uns dessen bewusst sind, wo sie uns überall im Leben begegnet?


Julia Schneider: Wir sehen KI zum Beispiel bei Google Maps. Wenn wir unser Smartphone täglich benutzen, benutzen wir KI beim Routensuchen, beim Online-Shopping, beim Online-Bezahlen, beim Seriengucken oder bei der Online-Partnersuche. Überall sehen wir KI.


Karina Filusch: Das heißt, wenn ich Tinder öffne und nach rechts oder links swipe, dann ist darin auch schon eine KI.


Julia Schneider: Genau. Die KI guckt sich an, was für Erfahrungen andere Menschen, die ähnliche Profile wie du haben, mit anderen Nutzern und deren Profilen gemacht haben. Dann gibt sie dir einen Vorschlag. Das macht kein Mensch. Kein Mensch vergleicht dein Foto mit dem anderen Foto oder vergleicht die Lebensläufe. Das macht eine künstliche Intelligenz, die eben versucht, möglichst hohe Matching-Erfolge zu generieren.


Karina Filusch: Was hat das Ganze eigentlich mit Rechenleistung zu tun? Du hattest eben diese drei Elemente erwähnt: KI, Algorithmen und Rechenleistung.


Julia Schneider: Auf der einen Seite haben wir die Rechenvorgänge, also die Algorithmen. Dann haben wir die Rechenleistung, die Technik und Computer-Hardware. Des Weiteren haben wir Speicher-Netzwerke, Internet und Big Data. Vor allem im Bereich vernetztes, schnelles Rechnen und Speichern haben die Computer in den letzten 20 Jahren unglaubliche Fortschritte gemacht.


Jakob Schüssler: Big Data ist ein Begriff, unter dem sich wahrscheinlich jeder ein bisschen etwas vorstellen kann, aber niemand eine genaue Ahnung davon hat, was das eigentlich ist. Was können wir uns denn unter Big Data genau vorstellen?


Julia Schneider: Wenn wir ganz einfach sprechen, sind alle Informationen über uns, die wir im Internet hinterlassen, Big Data. Das sind Unmengen an Daten, die für unser Gehirn nicht mehr gut erfassbar sind. Für maschinelles Lernen hingegen ist es genau die richtige Menge an Information.


Karina Filusch: KI hat, wie du gerade gesagt hast, etwas mit dem Sammeln, Verarbeiten und Generieren von Daten zu tun. Glaubst du, so eine KI könnte auch mit weniger Daten auskommen oder braucht es diese Big Data? Diese große Ansammlung von Daten?


Julia Schneider: Das ist eine sehr spannende Frage, Karina, weil mich das tatsächlich sehr stark beschäftigt. Meiner Meinung nach ist die Überwachung und das Nutzen von Unmengen von Daten, die nicht immer unbedingt freiwillig zur Verfügung gestellt werden, einer der Nachteile von KI. Ein weiteres Problem von der Nutzung vieler Daten ist, dass es viel Speicherkapazität und sehr viel Rechenleistung und damit auch sehr viel Energie benötigt. Deswegen forschen viele Leute gerade an der Frage „Können wir auch mit geringerer Datenmenge künstliche Intelligenz nutzen bzw. für uns nutzbar machen? Ich habe im Internet ein interessantes Beispiel gefunden. Das würde ich euch gerne vorstellen, weil es eine sehr interessante Anwendung fand. Und zwar geht es um die Krebsdiagnostik, also um eine Anwendung für künstliche Intelligenz, die die meisten Menschen als wichtig und richtig deuten würden. Am CERN in Genf forschen sie zur Frage „Wie können wir künstliche Intelligenz mit einer geringeren Menge von Datenpunkten für uns nutzbar machen?“. Sie nutzen Bildgebungsverfahren, das heißt PET, und damit lassen sich Krebstumore, Alzheimer oder Herzinfarktschäden erkennen. Das Problem ist, dass man radioaktive Marker ins Blut injizieren muss, damit dieses Bildgebungsverfahren zum Tragen kommt. Das führt jedes Mal zu einer Strahlenbelastung. Das ist jetzt gar nicht zum Thema Datensouveränität/Überwachung, sondern zum Thema „je mehr Daten wir mit unserem Körper sammeln, desto schlechter ist es für unsere Gesundheit“. Deswegen forschen die Wissenschaftler dort an der Frage „Wie lässt sich die Bildrekonstruktion so verbessern, dass wir auch mit weniger Messdaten gute Bilder bekommen, also mit weniger radioaktivem Marker?“. Die Forscher formulieren im ersten Schritt eine KI mit abertausenden von PET-Aufnahmen, um dann wirklich zielsicher sagen zu können: Hier haben wir ein Krebsrisiko oder nicht. Dazu nutzen sie aber auch Vorwissen und bestimmte physikalische Gesetze, die vorher schon bekannt sind. Dieses Wissen bringen sie in den Algorithmus ein. Dadurch kann der Algorithmus weniger Daten nutzen, als er sonst bräuchte und dadurch wird die KI auch zuverlässiger und braucht nicht so viele Trainingsdaten. Das ist ein Beispiel, was uns Mut macht, dass wir mit Vorwissen und mit Zusatzinformationen durchaus weniger Daten brauchen können.


Karina Filusch: Das klingt doch wirklich gut. Es scheint offensichtlich eine Chance dazu zu geben, dass das ganze System auch funktioniert, ohne diese ganzen Datenkraken einzusetzen.


Julia Schneider: Genau. Zusätzlich ist auch noch zu erwähnen, dass es ganz viele Forscherinnen und Forscher in Deutschland gibt, die ebenfalls gute Arbeit leisten. Sie versuchen, neue Algorithmen zu bauen, die mit weniger Trainingsdaten auskommen. Der Weg ist noch weit, aber der Wille ist bei vielen Menschen vorhanden.


Karina Filusch: Wie wir jetzt sehen, gehen Datensouveränität und KI doch ganz gut miteinander einher. Das hätte ich nicht erwartet. Was gäbe es noch für andere Lösungsansätze? Oder wie kann man dann die KI trainieren, wenn sie keine Daten bekommt? Wie genau funktioniert das denn dann? Hast du da schon von Lösungsansätzen gehört?


Julia Schneider: KI ohne Daten kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Ich glaube, dass es ganz ohne Daten schwierig ist. Ich glaube, dass man wirklich irgendeine Art von Daten haben muss. Ob du auf den Menschen Rückschlüsse ziehen kannst, oder ob du es mit Vorwissen anreichern kannst – dazu gibt es vielversprechende Diskussionen. Ganz ohne Daten kann man es sich aber eigentlich nicht vorstellen, weil sie aufgrund von Daten lernen.


Karina Filusch: Also müsste man sagen: Es kommt eher auf die Qualität der Daten an als auf die Quantität, wie es jetzt gerade der Fall ist.


Julia Schneider: Ich hoffe sehr darauf, dass wir auch technisch immer bessere Lösungen zur Anonymisierung von Daten haben und, dass wir auch umweltfreundliche Methoden entwickeln, wie man KI nutzbar machen kann.


Karina Filusch: Würdest du sagen, dass eine KI intelligent ist – also so ähnlich intelligent wie ein Mensch? Oder wie würdest du das einschätzen?


Julia Schneider: An dieser Stelle bietet sich ein kleiner Exkurs an. Die KI, die wir heute nehmen, programmieren wir für spezielle Aufgaben z.B., um Routen zu erkennen oder um eine Krebsdiagnose zu bekommen. Das nennen wir oft schwache KI. Im Gegensatz dazu wird eine wirklich intelligente, starke KI nicht mehr nur für spezielle Aufgaben programmiert, sondern die würde Probleme selbstständig und auf Augenhöhe mit uns lösen. Das heißt, bei der schwachen KI von heute geht es immer um eine Simulation von intelligentem Verhalten. Hier gibt es kein Bewusstsein. Es gibt aber relativ enthusiastische Menschen, die sich sehr dafür einsetzen, dass es bald auch eine starke KI gibt und Visionen dazu haben. Manchmal wirkt es so, als ginge es um eine Goldwährung. Ihr kennt bestimmt Ray Kurzweil. Er ist der technische Entwicklungsleiter von Google und Verfechter einer starken KI. Kurzweil meint, dass wir diesen Stand im Jahr 2029, also in acht Jahren, erreicht haben. Ich erinnere mich an ein Zitat von ihm, dass ich sehr interessant fand: „Wenn wir die gesamte Materie und Energie des Weltalls mit unserer Intelligenz gesättigt haben, wird das Universum erwachen, bewusst werden – und über phantastische Intelligenz verfügen. Das kommt, denke ich, Gott schon ziemlich nahe.“ Hier hat man in Reinform eine Vision einer Gottwerdung über die Schaffung einer starken künstlichen Intelligenz. Ich möchte nochmal eine kleine feministische Fußnote anmerken: Frauen können ja tatsächlich intelligente Wesen erschaffen und Männer nicht. Männer treiben diese Forschung nach einer starken KI oft an, das finde ich ist irgendwie eine ganz nette Beobachtung.


Karina Filusch: Mir macht das ein bisschen Angst, dass er das gerade mit Gott verglichen hat. Das heißt im Grunde, dass Google allmächtig wird und überall Einblick haben könnte bzw. sollte. Das ist natürlich ein bisschen furchteinflößend. Da sollte man vielleicht überlegen, ob man an der einen oder anderen Stelle auf Open Source datenschutzfreundliche, datensouveräne Produkte zurückgreifen möchte.


Julia Schneider: Da bin ich total bei dir. Das ist auf jeden Fall auch meine Meinung.


Jakob Schüssler: Ja, wenn wir schon bei den gruseligen Aspekten von KI sind. Du sprichst in deinem Comic auch über die Überwachungsmechanismen, die durch KI möglich wären bzw. schon möglich sind. Ich fand es beispielsweise bemerkenswert, dass es mithilfe von KI möglich ist, menschliche Bewegungen durch Wände hindurch zu erfassen. Obwohl ich ein großer Fan von KI und den Möglichkeiten bin, hat sich bei mir unweigerlich der Gedanke aufgedrängt, ob die Gefahren von KI nicht doch überwiegen und wir nicht doch lieber die Finger davon lassen sollten. Der Punkt mit Gott, den du schon angesprochen hast, mag bei den meisten schon ein gewisses Unwohlsein auslösen. Was überwiegt denn für dich: Risiken oder Chancen?


Julia Schneider: Ich sympathisiere mit deiner Einschätzung, dass man sich nach diesem Überwachungsbild erstmal gruselt. Das hat ja auch etwas Entgrenztes, man denkt an „1989“, der Überwachungsstaat wirkt in greifbarer Nähe. Es gab tatsächlich auch Verschwörungstheorien zu Corona, wo viele Leute Angst davor hatten, dass über das Impfen die totale Überwachung anhand eines Chips möglich sein soll oder, dass China manche Coronamaßnahmen nur gemacht hat, damit sie besser überwachen können. Ich glaube, KI geht nicht wieder weg. Genauso wenig wie das Internet. Wir sollten KI nach unseren Werten und unseren Prioritäten mitgestalten. Sei es, dass wir Podcasts zur Datensouveränität machen und Menschen darüber informieren oder, dass wir uns rechtlich auf dem Gebiet bewegen oder, dass wir aufklären, sei es beim Comic oder beim Film. Ich betrachte das als ein Gestaltungsfeld, bei dem es sehr wichtig ist, dass sich da viele Leute einbringen.


Karina Filusch: Apropos Gestaltung, meinst du, man müsste regulatorisch irgendwie gewährleisten, dass die KI den Menschen nur helfen darf? Ich meine, wenn man sich das so anguckt…. Du hast das Zitat gerade erwähnt: Meinst du es sollte Regulatorien geben, wenn eine KI dann irgendwann gottgleich wird oder übermächtig werden kann? In der Geschichte gab es sowas beispielsweise schon in Science-Fiction Romanen. Dazu hat Jakob ein schönes Beispiel vorbereitet.


Jakob Schüssler: Ja, wir hatten bereits 1942 Isaac Asimov, der damals drei Gesetze für Roboter entwickelt hat, wo das erste Gesetz schlichtweg heißt, dass ein Roboter kein menschliches Wesen verletzen darf oder durch Untätigkeit zulassen darf, dass es verletzt wird. Im zweiten Gesetz geht es darum, dass ein Roboter den von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen muss. Es sei denn, das würde mit Regel 1 kollidieren. Also es sei denn, dadurch würde ein menschliches Wesen verletzt werden. Und das dritte Gesetz lautet, dass ein Roboter seine Existenz beschützen muss, solange dieser Schutz nicht mit Regel 1 oder Regel 2 kollidiert. Ließe sich das auch auf künstliche Intelligenz übertragen?


Julia Schneider: Ich finde diese drei Regeln, die Roboterregeln, die du von 1942 zitiert hast, sehr hilfreich. Allerdings führen die zu dieser typischen Frage des selbstfahrenden Autos. Was macht das selbstfahrende Auto, wenn auf der einen Seite eine Oma und auf der anderen Seite sieben Kinder sind? Wen überfährt es? Das ist immer so ein Dilemma, was genutzt wird, um zu zeigen, dass es beim Einsatz von künstlicher Intelligenz im Endeffekt nicht nur auf eine technische Lösung, sondern auch auf eine ethische Diskussion ankommt. Es geht nicht immer, dass niemand verletzt wird. Generell würde ich sagen, dass bestimmte KI-Systeme besondere Risiken bergen. Ein KI-System, das defekte Schrauben auf einem Fließband aussortiert, dürften die meisten nicht so problematisch finden. Viele sehen hingegen Gefahren – so auch ich – bei Anwendungen wie biometrischen Identifizierungssystemen oder KI-gestützten Entscheidungen im Bereich Personaleinstellung, Bildung, Erziehung, Strafverfolgung, aber auch Gesundheitsversorgung. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier gesetzgeberische Maßnahmen brauchen.


Karina Filusch: Ja, das sehe ich auch so. Danke, dass du auch diesen ethischen Bereich nochmal angesprochen hast. Wissenschaftsethik erst langsam im Kommen. Ich hoffe, sie kommt in den nächsten Jahren auch noch in die Gänge. Das sage ich mal böse, weil wir sie definitiv brauchen. Genau dieses Problemfeld „Was ist ethisch richtig und was nicht? Wie weit darf Technik gehen?“ handelt von sehr wichtigen Fragen, auf die wir noch viel zu wenige Antworten haben. Ich hoffe, das kommt noch. Glaubst du, so eine KI könnte irgendwann mal die Kontrolle verlieren, sodass sie völlig außer Kontrolle gerät? Könnte sowas passieren?


Julia Schneider: KI haben keinen Körper und keine Emotionen. Erst, wenn wir sie mit Körpern koppeln, könnte ich mir das vorstellen. Erst in einer Maschine-Mensch-Interaktion könnte es überhaupt zu einem Kontrollverlust kommen. Sobald du den Körper hast, hast du damit auch Emotionen, Irrationalitäten usw. Im Moment folgen KI einfach diesen Richtlinien, die sie sich aufgrund der Daten, die sie sehen, verständlich machen. Sie haben im Moment noch kein Eigeninteresse. Das haben sie erst, wenn es um ihre eigene Existenz geht und dazu, meine ich, brauchen sie einen Körper.


Karina Filusch: Was denkst du, wann ist es so weit, dass KI so weit sind, dass wir uns über ethische Fragen auch noch tiefer Gedanken machen müssen? Kannst du da schon eine Jahreszahl nennen oder hast du da einen Wunsch?


Julia Schneider: Kurzweil sagte in acht Jahren. Ich weiß es nicht. Ich glaube, das ist noch in weiter Ferne. Ich glaube tatsächlich, dass es nicht nur über diese technische Schiene gehen wird. Meiner Meinung nach braucht es die Kopplung von etwas Organischem und einer Technik, um zu so etwas zu kommen, was wir als Intelligenz empfinden würden.


Jakob Schüssler: Für was brauchen wir eine so starke KI überhaupt? Ist sie überhaupt wünschenswert? Die Aufgaben, die KI im Moment übernimmt, sind auch schon vielfältig und es stellt sich so ein bisschen die Frage, ob das nicht dann eher eine Spielerei für etwas ist, was wir eigentlich gar nicht brauchen.


Julia Schneider: Ich empfinde es als eine ähnliche Spielerei, eine starke KI zu wollen und zu denken, dass wir in einem riesigen Computerspiel wie in der Matrix sind. Es gibt auch Leute, die das glauben. Für mich braucht es das nicht. Wir Menschen haben diese Art von Intelligenz, die wir als Intelligenz wahrnehmen. Dann gibt es ja noch ganz viele Pflanzen und Tiere und Technik. Es ist eigentlich alles okay. Ich finde es interessanter zu sagen: „Welche Probleme haben wir und wie können wir die am besten lösen?“. Wenn wir dazu KI nutzen können, ist das doch super.


Karina Filusch: Aus deiner Antwort würde ich schließen, dass du den größten Anwendungsbereich der Zukunft in der Problemlösung siehst, z.B. im medizinischen Bereich. Ich denke an das Beispiel mit den Krebspatienten, das du vorhin genannt hast.


Julia Schneider: Es gibt viele großartige Bereiche, in denen wir mit den Mengen an Daten überfordert sind. Alles, was uns hilft nachhaltiger und solidarischer zu leben ist großartig. Das begrüße ich. Da ist aber noch viel zu tun. Wie gesagt, dazu machen wir solche Podcasts und kümmern uns darum.


Karina Filusch: Was ist denn für dich persönlich DaSou?


Julia Schneider: Für mich ist Datensouveränität ein selbstbestimmter Umgang mit den eigenen Daten, vor allem den eigenen Big Data, die man im Internet hinterlässt.


Karina Filusch: Vielen lieben Dank, liebe Julia, dass du dir so viel Zeit für uns genommen hast. Ich habe sehr, sehr, sehr viel aus diesem Gespräch gelernt. Ich bin fasziniert, vor allem davon, wie man die künstliche Intelligenz im Bereich der Medizin nutzen könnte. Das würde mir als Anwendungsbereich in der Zukunft am meisten gefallen. Was sagst du, lieber Jakob, was fandest du am faszinierendsten?


Julia Schneider: Ja, das war wirklich sehr interessant. Ich denke, man darf mit Blick auf die bisherige Entwicklung auf jeden Fall gespannt sein, in wie viele Bereiche KI noch Einzug hält. Es ist schon absehbar, dass KI weiterhin ein großes Thema sein wird, was uns auch weiterhin beschäftigen wird und in vielen Bereichen im Alltag eingesetzt werden wird. Insofern wird man sehen, wohin die Reise geht, was die KI angeht und darf sehr gespannt bleiben. Wenn diese Folge euch gefallen hat, hört doch beim nächsten Mal wieder rein und abonniert gerne den Podcast, damit ihr wieder dabei seid, wenn wir über DaSou sprechen. Wenn ihr Fragen zu DaSou habt, schickt uns gerne eine Mail an hallo@dasou.law oder eine Nachricht über Twitter und Instagram.


Karina Filusch: Vielen lieben Dank. Bis bald.


Jakob Schüssler: Bis bald.


Karina Filusch: DaSou ist eine Produktion der Kanzlei Filusch. Mehr Infos findet ihr auf unserer Webseite dasou.law. Der Jingle wurde von Mauli komponiert. Die Idee zu DaSou hatte Axel Jürs. Das Cover hat Hélène Baum erstellt. Beraten wurden wir von Susan Stone. Editiert wurde der Podcast von Christoph Hinners.

Kontakt

Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte (TÜV Nord zertifiziert)
Karina Izabela Filusch, LL.M.

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Mobil: 0170 23 85 788

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