*das ist „Binärisch“ und bedeutet:…14
Datenökonomie – in welchem Verhältnis steht sie zur Datensouveränität? Aline Blankertz ist Ökonomin und hat das Projekt „Datenökonomie“ bei der Stiftung Neue Verantwortung geleitet. Wir sprechen über ein innovatives Projekt, das es Unternehmen ermöglicht anonym ihren Co2-Abdruck mit anderen Unternehmen zu vergleichen, damit im Klimabereich vorangegangen wird. Was das alles mit Daten zu tun hat? Aline erklärt es uns! Neben dem Klima spielen auch der Gesundheits- und Mobilitätsbereich beim Thema Datenökonomie eine wichtige Rolle. Außerdem stellen wir uns die Frage, inwieweit Künstliche Intelligenz diskriminieren kann, welchen wirtschaftlichen Wert unsere Daten haben und welche Vorteile wir Verbraucher*innen eigentlich von der Datenökonomie haben. Was würdet ihr davon halten, wenn es einen Datenschutzberatenden gäbe, also eine Anlaufstelle für alle Vebraucher*innen bei Datenschutzproblemen. Würdet ihr das Angebot nutzen oder hättet es in der Vergangenheit gut gebrauchen können?
Hört gerne in unsere Folge rein uns hinterlasst uns eure Meinung auf Twitter oder Instagram!
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns gerne eine Mail an hallo@dasou.law und folgt uns auf Twitter und Instagram bei dasou_law.
Show-Notes
LinkedIn von Aline Blankertz: https://de.linkedin.com/in/alineblankertz
Stiftung Neue Verantwortung: https://www.stiftung-nv.de/de/person/aline-blankertz
Transkript
Karina Filusch: Hallo und herzlich willkommen beim DaSou-Podcast. Ich bin Karina Filusch, Datenschutz Anwältin und externe Datenschutzbeauftragte. In jeder Folge sprechen wir mit einer Expertin oder einem Experten über Datensouveränität abgekürzt DaSou.
Aileen Weibeler: Ich bin Aileen Weibeler und angehende Juristin. Ihr würdet uns einen riesigen Gefallen tun, wenn ihr uns auf Instagram und Twitter folgt und uns bei eurem Lieblings-Podcaster abonniert.
Karina Filusch: Heute sprechen wir über Datenökonomie. Das ist ein Begriff, den ich kürzlich das erste Mal gehört habe, und zwar in einem Vortrag, den ich sehr spannend fand. Die Referentin dieses Vortrags konnten wir für unsere heutige Folge gewinnen. Das Thema Datenökonomie taucht in früheren Podcast Folgen von uns auf, unter anderem in der Folge zum Zahlen-mit-Daten-Gesetz, in der Big Data Folge und in der Folge über künstliche Intelligenz.
Aileen Weibeler:Aline Blankertz ist für ihr Studium viel in der Welt umhergereist und kennt sich in einer Vielzahl von Bereichen aus. Heute ist sie aber als Ökonomin bei uns.
Karina Filusch: Genau. Sie hat bis vor kurzem für die Stiftung Neue Verantwortung gearbeitet. Liebe Aline, was macht die Stiftung und wofür steht sie ein?
Aline Blankertz: Die Stiftung Neue Verantwortung ist ein unabhängiger Think Tank an der Schnittstelle von Gesellschaft und Technologie. Wir haben in verschiedenen Bereichen Ideen und Anregungen für die Politik entwickelt, wie sie bessere Digitalpolitik machen kann.
Karina Filusch: Was habt ihr denn für Vorschläge gemacht?
Aline Blankertz: Am besten kann ich über meinen Bereich reden, über die Datenökonomie. Dort haben wir in verschiedenen Schwerpunkten über Datentreuhänder gearbeitet. So haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie Datentreuhänder am besten für Verbraucher:innen funktionieren können und auch, welche Regulierungsfragen es braucht. Es gibt aber noch ein sehr breites, weiteres Themenspektrum an Fragen, unter anderem wie die Zertifizierung von KI, Cybersicherheit und die Nachrichtendienstkontrolle noch besser funktionieren können.
Karina Filusch: Das klingt richtig gut. Wir kommen gleich darauf zurück, auch darauf, was Datenökonomie überhaupt ist. Neben deinem Beruf bist du noch unglaublich engagiert. Was machst du denn aktuell Spannendes? Welche Projekte hast du gerade am Laufen?
Aline Blankertz: Unter anderem bin ich im Vorstand der SINE Foundation. Wir sind ein Zusammenschluss von teils stärker akademisch orientierten Personen und teils stärker unternehmerisch interessierten Personen und versuchen noch neue Formen des Datenteilens in die Praxis zu bringen. Während die Stiftung Neue Verantwortung immer ein Think Tank war und auch noch ist, ist die SINE Foundation ein Think and Do Tank. Es ist uns eben wichtig, dass wir zum Beispiel kryptografische Verfahren in die Anwendung bekommen, damit das vertrauenswürdige Datenteilen besser funktioniert.
Karina Filusch: An welchen konkreten Projekten arbeitet ihr momentan?
Aline Blankertz:Ein Projekt, was vor ein paar Monaten live gegangen ist, ist ein Benchmarking, das es Unternehmen ermöglicht, ihren CO2 Abdruck anonym mit demjenigen anderer Peers in ihrer Branche oder in ihrem Land zu vergleichen. Hierbei haben wir mit dem Climate Startup Coursera zusammengearbeitet. Es adressiert das Problem, dass viele Unternehmen sich erst einmal damit zurückhalten, im Klimabereich aktiv zu werden, weil sie gar nicht so richtig wissen, wo sie stehen und sie sich z.B. nicht exponieren wollen, falls sie in Wirklichkeit besonders schlecht dastehen. Deshalb ermöglicht das Benchmarking einen niedrigschwelligen Einstieg in den Klimabereich. Es wird keiner dritten Partei mittgeteilt, wie die Lage des Unternehmens ist. Dies ermöglicht es den Unternehmen, sich erst einmal selbst einzuordnen, um dann zu verstehen, wie viel Potenzial sie haben, sich in dem Bereich zu verbessern.
Karina Filusch: Es überrascht mich immer wieder, dass das Thema Daten mit so vielen verschiedenen Bereichen zusammenhängen kann wie hier mit dem Thema Umweltschutz. Ist es für die Unternehmen dann leicht möglich einzusteigen? Kann sich da jedes Unternehmen bei euch melden und sagen: „Hey, ich will meinen Umweltschutz im Unternehmen verbessern“?
Aline Blankertz:Die Applikation ist auf der Homepage von Cozero und natürlich auch bei der SINE Foundation verlinkt. Grundsätzlich kann jeder diese Seite aufrufen und bestimmte Grundzahlen über z.B. den Energieverbrauch eingeben, um herauszufinden, wie man dasteht. Stehe ich bereits sehr gut da? Oder bin ich vielleicht im Mittelfeld? Oder bin ich im schlechten Mittelfeld? Dann kann man sich überlegen, welche nächsten Schritte man gehen möchte. Aber dafür ist es eben zunächst hilfreich zu wissen, wo man in etwa steht. Sonst kommt man sehr schnell in den Bereich der kommerziellen Beratung. Bestimmt hat auch jedes Unternehmen eine solche Beratung. Allerdings wollen wir eine unabhängige Möglichkeit sein, sich einzuordnen.
Karina Filusch: Wie schneiden die Unternehmen eigentlich ab? Sind die alle richtig gut oder gibt es da noch sehr viel Verbesserungsbedarf?
Aline Blankertz: Interessanterweise wissen wir das nicht. Die Daten werden nicht geteilt. Es ist zwar schade, dass man das nicht richtig nachverfolgen kann, aber genau das ist natürlich die Idee der Applikation. Wir versprechen den Unternehmen, dass sie sich mithilfe der gesetzten Datenbasis informieren können. Derzeit überlegen wir, ob wir neue Funktionalitäten mit einbauen, durch die Unternehmen uns den Zugriff auf die Daten erlauben können, damit wir unsere Datenbasis noch weiter verbessern können. Bisher können wir die Daten auch de facto nicht sehen, weil das technisch so umgesetzt ist, dass wir die Daten nicht bekommen.
Karina Filusch: Wir könnten jetzt vielleicht auch über Datenökonomie sprechen. Was ist das eigentlich? Das erste Mal habe ich dich nämlich gesehen, als du einen großartigen Vortrag über Datenökonomie gehalten hast. Ich habe dort auch das erste Mal dieses Wort gehört. Was ist diese Datenökonomie?
Aline Blankertz: Bei dem Begriff der Ökonomie werden viele oft sehr unruhig und denken, es gehe nur um Geld. Datenökonomie umfasst eigentlich alle ökonomischen Aspekte rund um Daten. Das heißt, es geht nicht nur und nicht einmal primär um Geld, sondern auch um Anreize. Es geht um den intrinsischen Wert, der eben nicht nur in Geld gemessen wird, es geht auch um Risiken. Daten haben aus ökonomischer Sicht sehr interessante Eigenschaften, zum Beispiel, dass sie so beliebig reduzierbar sind und dass sie eigentlich auch eine Art künstliches Gut sind.
Karina Filusch: Wir hatten in den letzten Podcastfolge unter anderem schon über Big Data, Künstliche Intelligenz und Zahlen mit Geld usw. gesprochen. Dass wir Big Data und Künstliche Intelligenz haben und, dass wir jetzt leichter an Daten herankommen, hat auch alles einen Einfluss auf die Datenökonomie.
Aline Blankertz: Genau. Das betont vor allem die Wichtigkeit, Daten auch aus ökonomischer Perspektive oder interdisziplinär zu denken. Ich würde sagen, dass es einen sehr starken juristischen Fokus gibt – gerade in der deutschen Debatte. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig Folgendes zu verstehen: Was kann ich erwarten? Wo gibt es einen Austausch von Daten? Was sind die Probleme von Daten, zum Beispiel bei Big Data, Thema Diskriminierung? Welche Maßnahmen kann ich entwickeln, um solche Risiken zu minimieren und die Daten trotzdem zu nutzen? Diese Fragen sind nicht rein juristisch, sondern da kommt das Ökonomische mit dem Technischen zusammen.
Karina Filusch: Diskriminierung bei künstlicher Intelligenz und Big Data ist ein spannendes Thema. Was ist denn die Lösung dafür? Hat die Datenökonomie die Lösung dafür?
Aline Blankertz: Die Datenökonomie hat nicht die eine Lösung dafür. Die Ökonomen sind ja leider ein bisschen wie die Jurist:innen und sagen immer: Es hängt davon ab. Das ist leider auch der Fall und genau das macht es auch so spannend. Es gibt sehr viele unterschiedliche Kontexte, in denen es zu Diskriminierungen kommen kann. Manchmal kann man einfach sagen: Hey, wir sollten das Datenteilen bleiben lassen. Beispielsweise, wenn es darum geht, Versicherungstarife stark zu personalisieren. Da würde man sagen, bestimmte Merkmale dürfen erst gar nicht aufgenommen werden. In anderen Kontexten kann es über eine gewisse Aggregierung oder Verrauschung von Daten möglich sein, manche Ungleichbehandlungen noch zuzulassen. Beim Thema Gesundheitsdaten, kann es hilfreich sein, wenn von vornherein erkannt wird: Okay, ich gehöre in die und die Risikogruppe oder ich habe die und die Lebensumstände. Deswegen kann es besser für mich sein, eine bestimmte Therapie zu wählen statt einer anderen. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir natürlich, dass es eine gewisse Form von Ungleichbehandlung gibt und das wird dann mit Diskriminierung gleichgesetzt. Es ist wichtig zu schauen und zu verstehen, an welchen Punkten diese Ungleichbehandlung tatsächlich auch schädlich für Verbraucher:innen und Patient:innnen ist und wo es bestimmte positive Effekte gibt, die wir zulassen und ermöglichen wollen?
Karina Filusch: Du hattest jetzt natürlich die große Rolle der Unternehmen in der Datenökonomie beschrieben, Versicherungsunternehmen usw., die davon profitieren. Wir haben aber auch schon über die Vorteile von Verbraucher:innen gesprochen, nämlich darüber, dass man Diskriminierung oder Unterscheidung dort vorbeugen kann, wo sie unerwünscht ist. Zumindest haben Verbraucher:innen durch die Datenökonomie noch weitere Vorteile.
Aline Blankertz: Ja, auf jeden Fall. Es gibt schon vielfach Datennutzung, die auch für Verbraucher:innen nützlich ist. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Wer extrahiert den Wert der Daten? Hier schauen wir oft skeptisch auf die Unternehmen. Im Idealfall machen die Unternehmen etwas mit den Daten, wovon wir alle profitieren. Beim Thema Gesundheit gibt es ein enormes Entwicklungspotenzial. Ein weiteres Beispiel für ein Thema mit einem großen Entwicklungspotential ist der Mobilitätsbereich. Wir alle profitieren davon, wenn wir es schaffen, Daten so zu teilen, dass wir besser verstehen, wo mehr Busse fahren sollten, wo bestimmte Anwendungen fehlen und wie wir cleverer „Nicht-Auto-Angebote“ bzw. klimafreundliche Verkehrsangebote machen können. Dafür brauchen wir als Input oftmals eine gewisse Form von personenbezogenen Daten, die wir dann aber auch recht schnell anonymisieren oder zumindest pseudonym einsetzen können, um zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen.
Karina Filusch: Jetzt hatten wir über den Wettbewerb usw. gesprochen. Welche Auswirkung haben Daten auf diesen? Beim Geld sieht man die Auswirkungen auf den Finanzmärkten, aber wie kann man diese Auswirkungen bei Daten messen? Was für einen Einfluss haben sie auf den Markt? Welche Dynamik haben sie?
Aline Blankertz: Sie haben einen sehr großen Einfluss. Daten als Wettbewerbsfaktor sind in den letzten Jahren ein sehr heißes Thema geworden. Es gibt zwei Richtungen, die man sich anschaut: Einmal, wie beeinflusst der Wettbewerb, wie Daten gesammelt werden? Hier liegt der Fokus insbesondere auf den personenbezogenen Daten. So gibt es zum Beispiel Praktiken, die vor allem beim Vorliegen von Marktmacht problematisch sind. Ein sehr wichtiger Fall ist der Facebookfall vom Bundeskartellamt, der inzwischen schon seit fünf Jahren läuft und nun vor den Europäischen Gerichtshof kommt. Gleichzeitig würde ich mir auch wünschen, dass es mehr konkrete Maßstäbe und Quantifizierungen von Datenschutz gibt, damit wir verstehen können, wann es wirklich problematisch ist. Natürlich haben wir die DSGVO, aber ich habe das Gefühl, dass die Meinungen oft noch sehr stark auseinandergehen, was es so schwierig macht, wirklich zu verstehen, wie sich Wettbewerb auf Datenschutz auswirkt. Dazu haben wir auch ein Papier geschrieben, das diese ganzen unterschiedlichen Effekte ein bisschen aufdröselt. Jetzt geht es aber in die andere Richtung, also dass Datenschutz sich eben auch auf den Wettbewerb auswirkt. Die DSGVO begünstigt tendenziell Konzentration. Das gilt prinzipiell für viele oder die meisten Formen von Regulierungen, weil es für Großunternehmen oft einfacher ist, compliant zu werden. Zum Beispiel begünstigt die DSGVO auch einen internen Datenaustausch gegenüber einem Datenaustausch zwischen Unternehmen. Das wiederum bedeutet, dass der Datenschutz in einer gewissen Weise leider mehr Konzentration fördert.
Karina Filusch: Facebook hat im Bereich der sozialen Medien fast schon eine Monopolstellung und ist damit ein absoluter Big Player. Meinst du, andere Unternehmen haben in diesem Bereich überhaupt eine Chance?
Aline Blankertz: Es fragt sich, ob wir überhaupt kleine Player brauchen, die dagegen ankommen. Oder geht es v.a. darum mehr Wahlfreiheit zu ermöglichen? Wir haben den schnellen Aufstieg von TikTok beobachten können. TikTok ist gerade bei der jungen Generation deutlich beliebter als Facebook. Wollen wir noch mehr solcher Geschäftsmodelle, die auf stark personalisierter Werbung basieren und tief in unser Privatleben eingreifen? Ich würde mir wünschen, dass es neue Geschäftsmodelle gibt, die einen sozialen Austausch ermöglichen, aber nicht so stark auf personalisierter Werbung beruhen. Wie dies dann mit den ökonomischen Realitäten vereinbar ist, ist schwer zu sagen. Ich würde aber trotzdem in Frage stellen, ob wir wirklich ein zweites Facebook wollen, welches mit dem Original in einem Konkurrenzkampf um mehr Daten steht. Es ist lohnenswerter, sich eine wettbewerbliche Differenzierung zu wünschen, also das wir unterschiedliche Angebote am Markt bekommen.
Karina Filusch: Haben unsere Daten denn eigentlich tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert? Also kann man sagen mein Vor- und Nachname und Geburtstag kosten 1,50 Euro oder so? Kann man Daten so beziffern oder wie muss ich mir das vorstellen?
Aline Blankertz: Es gibt bestimmte Datenplattformen, bei denen man bestimmte Datensätze für feste Beträge kaufen kann. Da gehen die Zahlen oft ein bis zwei Euro auseinander. Es hängt immer davon ab, was man dann mit den Daten machen kann. Ein Datum ist erst mal nur ein Datum und steht für sich. Daten bekommen ihren Wert oft erst dadurch, dass man sie zusammenführt und sie dann in eine bestimmte Anwendung bringt.
Karina Filusch: In das Bürgerliche Gesetzbuch wurde jetzt reingeschrieben, dass Daten auch ein Zahlungsmittel sind, also eine Währung geworden sind. Das heißt, wir können ab Inkrafttreten mit unseren Daten so bezahlen, als würden wir einen fünf Euro Schein auf den Tisch legen. Das alles ist in der digitalen Welt passiert und eher nicht in der analogen Welt. Aus dem juristischen Blickwinkel sehe ich das positiv, denn dadurch, dass ich endlich auch mit Daten bezahlen kann, schließe ich einen Vertrag ab. Das heißt, ich kann mich auf die ganzen Verbraucher:innen Rechte berufen, die ich zuvor nicht nutzen konnte. Ich hatte die Löschungs- und Berichtigungsansprüche aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), aber nicht diese ganzen juristischen Mittel. Von daher war es für mich eine Erleichterung, zu erfahren, dass dieses Gesetz jetzt kommt. Wie siehst du das Zahlen mit Daten als Ökonomin?
Aline Blankertz: Ich halte es für ein bisschen ambivalent, also so wie du es beschreibst, dass man als Verbraucher:in dadurch mehr durchsetzbare Rechte bekommt. Das ist natürlich erst einmal sehr begrüßenswert, weil es in der Tendenz im Moment sehr offensichtlich ist, dass Verbraucher:innen eher wenig Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber vielen Unternehmen haben. Die Frage ist, zu was für Geschäftsmodellen das dann führen wird. Es gibt auch viele Projekte, z.B. auf Blockchain basierte Projekte, die das ganz stark propagieren, und zwar im Sinne von: Hey Leute, nutzt eure Daten, um daraus Kapital zu schlagen. Habt Teil, sodass ihr Geld bekommt. Das halte ich für einen Fehlschluss, weil ich glaube, dass es den Menschen nicht viel nützt am Ende des Monats ein paar Euro mehr zu haben, sondern dass es eher helfen würde, wenn die Daten wirklich in ihrem Interesse verwendet werden und nicht gegen sie.
Karina Filusch: Ja, ich sehe dieses Risiko auch. Ich kann es absolut nachvollziehen. Wie denkst du, könnte man dem entgegenwirken? Das genau das nicht passiert und man dieses Risiko so weit wie möglich minimiert.
Aline Blankertz: Ich würde sagen, es ist noch kein akutes Problem, sodass man jetzt noch nicht unbedingt vorausschauend regulatorisch eingreifen muss. Etwas, was ich für sehr wichtig halte, ist, dass Verbraucher:innen die Möglichkeit bekommen, gewisse Rechte auch zu delegieren, um sie durchzusetzen. In den USA, konkret in Kalifornien, hat man nach dem CCPA, also im dortigen Datenschutzrecht, die Möglichkeit, ein authorized agent einzusetzen, der dann beispielsweise zu Unternehmen geht und sagt: Hey, verkauft meine Daten nicht weiter oder löscht meine Daten. Das ist mit der DSGVO nur begrenzt machbar. Ich würde mir z.B. einen Einwilligungsagenten, statt Cookie-Pop-Ups wünschen. Es wäre super, wenn ich einmal konfigurieren könnte, und dann konfiguriert es das Web danach. Idealerweise gäbe es noch eine Datentreuhand. Im Moment gibt es viele Pins. Also, dass ich denen dann auch sagen kann, für die und die Zwecke hätte ich auch gerne, dass meine Daten verwendet werden und dass die sich dann darum kümmern, dass die Daten in meinem Interesse verwendet werden. Es ist schon ein möglicher Vollzeitjob, sich darum zu kümmern, was mit den Daten über einen selbst passiert. Das ist etwas, was man Verbraucher:innen wirklich nicht zumuten kann und auch nicht erwarten kann.
Karina Filusch: Ja, du sagst es. Wenn wir jetzt alle Cookie-Pop-Ups und alle Datenschutzerklärungen auf jeder Webseite lesen würden, würden wir im Leben wahrscheinlich gar nicht vorankommen, sondern würden die ganze Zeit nur lesen und wären wahrscheinlich ganz schockiert und würden ganz viele Produkte vielleicht gar nicht mehr nutzen, wenn wir erfahren würden, was sie eigentlich so mit unseren Daten machen. Ich finde die Idee einer Datenschutzberatung, also eigentlich einer Verbraucherzentrale nur für den Datenschutz, sehr sympathisch. Es wäre großartig, wenn es eine Anlaufstelle gäbe, die auch populär wäre. Ich finde deine Idee gut.
Aline Blankertz: Die Verbraucherzentrale ist der Ansicht, dass dies unbedingt ein staatlicher Dienst sein muss. Das halte ich nicht unbedingt für nötig. Wenn es staatliche Dienste gibt, kann das vielleicht einen guten Ausgangspunkt darstellen. Ich glaube aber auch, dass man private Dienste erlauben kann. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie jene sich finanzieren. In den USA geht man davon aus, dass es vielleicht auch Verbraucher:innen gibt, die dazu bereit sind, dafür zu bezahlen. Damit hat man die Interessenskonflikte am besten ausgehebelt und stellt sicher, dass der Dienst auch wirklich für Verbraucher:innen funktioniert. Idealerweise haben wir Wettbewerb und Innovation, damit noch bessere Lösungen entwickelt werden. Derzeit gibt es schon verschiedene PIMS, die profitorientiert, also nicht explizit am Gemeinwohl orientiert arbeiten, aber trotzdem Dienste anbieten, die von Verbraucher:innen geschätzt werden. Das ist aus meiner Sicht auch kein Widerspruch. Ich glaube, man kann durchaus ein gewisses Gewinninteresse mit dem Verbraucher:innen Interesse zusammenbringen.
Karina Filusch: Welche Dienste sind das, die diese Angebote machen?
Aline Blankertz: „Digi.me“ ist so ein großer Dienst, der europäisch und auch international tätig ist. In den Niederlanden kann man darüber auch sehr gut Daten mit der öffentlichen Verwaltung teilen und öffentliche Dienste besser nutzen. In Deutschland gibt es beispielsweise auch „It‘s about me“ und „It’s my data“, wozu ich immer anmerke, dass es sich ja nicht unbedingt um meine Daten handelt, sondern erst einmal um Daten über mich. Das sind alles solche Dienste, die einem helfen, sodass man Daten aus verschiedenen Plattformen zusammentragen kann und darüber dann beispielsweise die eigene Kreditwürdigkeit transparenter machen kann.
Karina Filusch: Über die Niederlande und die USA haben wir nun ein bisschen gesprochen. Wie stehen wir mit unserer Datenökonomie eigentlich im Vergleich zu anderen Ländern da?
Aline Blankertz: Es gibt viel Kritik und oft wird sehr negativ über Deutschland gesprochen. Dass wir mit den Daten nicht richtig hinterherkommen, ist schon ein bisschen wahr. Wir haben ein sehr ausgeprägtes Risikobewusstsein im Zusammenhang mit Daten. Das heißt, wir fragen uns oft zuerst, wie können Daten eigentlich missbraucht werden? Dabei lassen wir die Frage danach, welchen Nutzen sie eigentlich bringen können, der auch im Interesse der Gesellschaft sein kann, oftmals außer Acht. Gerade von politischer Seite aus sind wir der Privatwirtschaft gegenüber sehr skeptisch und wollen eigentlich am liebsten, dass der Staat möglichst viel macht. Gleichzeitig macht der Staat aber leider nicht so viel. Es gibt zwar diese Projekte von GAIA-X und auch eine staatliche Förderung des Forschungsministeriums, aber bei vielen dieser Projekte ist gar nicht so richtig klar, wie ein Erfolg aussehen soll. Irgendwie weiß man, man, dass man gerne etwas ändern möchte, aber wie genau, weiß man nicht. Das ist zunächst auch in Ordnung, weil es ein Entdeckungsprozess ist, herauszufinden, wie wir andere Dienste anbieten können, die nicht so sehr zur Datenmacht führen, wie das auf vielen etablierten Märkten der Fall ist. Gleichzeitig ist das Tempo einfach sehr, sehr langsam – insbesondere, wenn wir immer die maximal sichere Option wählen. Natürlich sage ich nicht, dass wir es lieber unsicher machen sollten, aber es gibt eben bestimmte Abwägungen. Wenn Dienste so kompliziert zu nutzen sind, dass sie hinterher keiner nutzen will, dann bringen sie auch leider nichts.
Karina Filusch: Wenn wir schon beim Thema Datensouveränität sind: Geht das am Ende gut? Datensouveränität und Datenökonomie oder schließt sich das aus? Kann man das verbinden?
Aline Blankertz: Ich glaube, das gehört sogar zusammen. Der Begriff der Datensouveränität ist nicht trivial. Ich würde ihn zunächst als einen Sammelbegriff für Bedingungen bezeichnen, die gegeben sein sollten, um Datennutzung zu legitimieren. Auch, um sicherzustellen, dass das, was mit den Daten gemacht wird, Verbraucher:innen letztlich auf eine direkte oder indirekte Art und Weise nützt. Unter Datensouveränität verstehe ich nicht, dass die Verbraucher:innen über jede einzelne Datennutzung immer einzeln entscheiden müssen, sich also durch alles durchklicken und für alles eine informierte Einwilligung geben müssen, wofür sie vorher bitte alle Seiten ausführlich lesen. Ich verstehe darunter, dass wir es schaffen, diese Komplexität zu vereinfachen. Und zwar so, dass wir berechtigt sagen können, dass Verbraucher:innen zumindest ein grobes Verständnis davon haben, was mit den Daten über sie passiert. Darunter fällt auch, dass wir Formen des Missbrauchs effektiv unterbinden. Jenes sollte nicht immer vom Einzelnen/von der Einzelnen abhängen. Stattdessen sollten institutionalisiert kollektive Mechanismen (beispielsweise über eine Form von Delegation an andere Organisationen) den Verbraucher:innen dabei helfen, sich souverän zu verhalten, und sicherstellen, dass die Dienste in ihrem Interesse handeln.
Karina Filusch: Was ist DaSou für dich persönlich?
Aline Blankertz: Für mich persönlich heißt es, dass ich eine gewisse Transparenz habe und ein gewisses Verständnis darüber bekomme, was mit den Daten passiert. Manchmal muss ich vielleicht auch schwierigere Entscheidungen darüber treffen, wie ich damit umgehe. Ich habe mich vor ein paar Jahren bei Facebook abgemeldet, weil es mir sehr schwerfiel die dortige Verwendung der Daten mit meinen Gefühlen dazu in Einklang zu bringen. Der Begriff der Datensouveränität wird sehr breit verwendet und auch auf Organisationen oder Staaten angewandt. Ich finde, den Begriff auf mich bzw. auf die Verbraucher:innen-Seite zu münzen, ergibt deutlich mehr Sinn. Das heißt nicht, dass ich mich losgelöst von allen Konditionen und Bedingungen um mich herum verhalten kann. Ich sehe Souveränität nicht als Herrschaft, denn gerade im Datenbereich gibt es viele Verflechtungen und viel Interdependenz. Es ist für mich hilfreich, wenn ich verstehe, wie diese ganzen Fragen und Themen zusammenkommen. Dann kann ich bestimmte Entscheidungen treffen, z.B. keine Fotos meiner Kinder auf irgendwelchen öffentlichen Netzwerken zu teilen. Es ist wichtig, dass ich informierte Entscheidungen treffen kann. Die Entscheidungen sind vielleicht nicht immer hundertprozentig informiert, weil das sehr viel Informationsaufwand erfordert und auch in die Zukunft gerichtet ist. Für den Status quo wünsche ich mir zumindest ausreichende Kontrollmöglichkeiten, um zu beeinflussen, wie Daten über mich verwendet werden.
Karina Filusch: Das würde ich mir auch alles genauso wünschen. Danke, liebe Aline, dass du dir die Zeit genommen hast, uns zu erläutern, was Datenökonomie ist und dass du uns vor allem die Vorzüge vorgestellt hast. Diese finde ich sehr beruhigend und ich bin sehr froh, dass wir heute sprechen konnten.
Aline Blankertz: Danke dir! Danke dir für die Einladung.
Karina Filusch: Ich kann nachvollziehen, dass Aline Facebook gelöscht hat. Ich selbst konnte bisher noch nicht darauf verzichten, weil ich das zum Netzwerken brauche. Was aber ganz gut für mich funktioniert hat, ist, auf WhatsApp zu verzichten. Ich habe WhatsApp schon vor einigen Monaten deinstalliert und nutze seitdem nur noch Signal und Threema. Der Umstieg ist mir leichtgefallen, weil viele Kontakte von mir, mit denen ich sowieso im täglichen Austausch stehe, diese zum Glück auch benutzen.
Aileen Weibeler: Ganz ohne soziale Medien und soziale Netzwerke schaffe ich es tatsächlich auch nicht. Ich bin mir zwar bewusst, was mit unseren Daten passiert und welchen Wert sie haben, aber einen kompletten Umstieg schaffe ich doch nicht.
Karina Filusch: Ich finde, solange man ganz genau weiß, was mit den Daten passiert und bewusst damit umgeht, kann man auch solche sozialen Medien und andere Dienste, die viele Daten sammeln, nutzen.
Aileen Weibeler: Da haben wir auf jeden Fall wieder einiges für den praktischen Alltag gelernt. Hört doch beim nächsten Mal wieder rein, wenn wir über DaSou sprechen. Wenn ihr Fragen zu DaSou habt, schickt uns gerne eine Mail an hallo@dasou.law oder einfach eine Twitter-Nachricht.
Karina Filusch: Danke fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal. DaSou ist eine Produktion der Kanzlei Filusch. Mehr Infos findet ihr auf unserer Webseite dasou.law. Die Redaktion besteht aus Anja Lindenau, Aileen Weibeler und Karina Filusch. Der Jingle wurde komponiert von Mauli. Die Idee zu Das so hatte Axel Jürs. Das Cover hat Hélène Baum erstellt. Beraten wurden wir von Susan Stone. Editiert wurde der Podcast von Christoph Hinners.