*das ist „Binärisch“ und bedeutet:…20
Datensouveränität ist das Kernthema unseres Podcasts und genau darum soll es in dieser Folge gehen: Was ist Datensouveränität eigentlich? Mit unserem Gast, Dr. Malte Engeler, der Richter am Verwaltungsgericht in Schleswig-Holstein ist, wird der Begriff der Datensouveränität einmal kritisch durchleuchtet. Wir sprechen darüber, wie aktuell das Volkszählungsurteil heute überhaupt noch ist und inwiefern man die Fragen, die in den 80er Jahren gestellt wurden mit unserer Lebensrealität vergleichen können, wenn man bedenkt, dass wir auf Instagram unsere Lieblings-Restaurants, auf Facebook unsere Freunde und auf Linkedin unsere beruflichen Schritte ganz freiwillig mit der Welt teilen. Daneben sprechen wir über den Konflikt zwischen den Gefahren durch Überwachung auf der einen Seite sowie den Sicherheitsfaktor durch die Abwehr von Verbrechen auf der anderen Seite. Gibt es überhaupt diesen Idealzustand, in dem jeder von uns wissen kann, wann, wie, wo, und von wem unsere Daten genutzt werden und würde es etwas am Jetzt-Zustand ändern, wenn wir seitenlange Erklärungen darüber hätten?
Was meint ihr, würdet ihr euch alle Datenschutzhinweise durchlesen, die euch den ganzen Tag begegnen?
Hört gerne in unsere Folge rein uns hinterlasst uns eure Meinung auf Twitter oder Instagram!
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns gerne eine Mail an hallo@dasou.law und folgt uns auf Twitter/Instagram bei dasou_law.
Show-Notes
Dr. Malte Engeler auf Twitter: https://twitter.com/malteengeler
Internetseite von Dr. Malte Engeler: https://www.malteengeler.de/
Artikel von Dr. Malte Engeler auf Netzpolitik.org: https://netzpolitik.org/2021/datensouveraenitaet-die-einwilligung-ist-das-problem/
Volkszählungsurteil: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1983/12/rs19831215_1bvr020983.html
Transskript
Karina Filusch: Hallo und herzlich willkommen beim DaSou-Podcast. Ich bin Karina Filusch, Datenschutz-Anwältin und externe Datenschutzbeauftragte. In jeder Folge sprechen wir mit einer Expertin oder einem Experten über Datensouveränität abgekürzt DaSou.
Aileen Weibeler: Ich bin Aileen Weibeler und angehende Juristin. Lasst uns auf jeden Fall ein Abo da. Darüber würden wir uns sehr, sehr freuen.
Karina Filusch: Heute sprechen wir über das Thema Datensouveränität an sich, das Kernstück dieses Podcasts. Was ist DaSou überhaupt? Woher kommt sie? Gibt es noch andere Begriffe? Und ist das ganze Konzept überhaupt realistisch?
Aileen Weibeler: Unser heutiger Gast ist Dr. Malte Engeler. Er ist Richter am Verwaltungsgericht in Schleswig-Holstein und bevor es die DSGVO gab, war er Teil der Artikel 29-Arbeitsgruppe, die verbindliche Regelungen herausgegeben hat, wie Datenschutz in der Praxis anzuwenden ist. Außerdem hat er einen eigenen Blog und ist auch öfter Gastautor bei netzpolitik.org, worüber wir auch auf ihn aufmerksam geworden sind. Das alles werden wir euch auf jeden Fall in den Shownotes verlinken.
Karina Filusch: Datensouveränität, wo ist eigentlich der Ursprung dieses Begriffes? Man könnte hier als allererstes an das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 denken. Malte, woher kommt dieser Begriff überhaupt?
Dr. Malte Engeler: Also ich habe jetzt keine Wort-Historie-Analyse parat. Ich würde aber tatsächlich das Wort Datensouveränität trennen vom Volkszählungsurteil und habe auch nicht das Gefühl, dass das sein Ursprung ist. Damit wäre ich auch schon im Kern an der Kritik des Begriffs, weil ich das Gefühl habe, der Begriff selbst ist eigentlich modern oder so wie wir ihn verwenden oder warum wir ihn verwenden, liegt eigentlich nur daran, dass er vor einigen Jahren in einem bestimmten Kontext gebildet und geprägt und seitdem verwendet wird. Deswegen würde ich eigentlich das Volkszählungsurteil und das Wort Datensouveränität trennen.
Karina Filusch: Aus welchem modernen Kontext kommt das?
Dr. Malte Engeler: Also mir ist der Begriff das erste Mal 2011, 2012, 2013, 2014, über den Weg gelaufen, irgendwann in dem Zeitraum, in dem angefangen wurde, das waren primär so wirtschaftliche Akteure, auch das Bundeswirtschaftsministerium. Die Telekom hat auch gerne mal darauf gepocht, in dem Kontext davon zu sprechen, dass Deutschland datensouverän werden müsse.
Karina Filusch: Ich würde das auf jeden Fall unterstreichen. Dieser Begriff ist auf jeden Fall ein Trendbegriff. Dieses Gefühl hatte ich nämlich auch. Er kam irgendwann auf und wurde dann gehäuft benutzt und tauchte plötzlich in vielen Zeitungsartikeln oder juristischen Beiträgen auf und vorher tauchte das eigentlich nie auf. Also auch im Volkszählungsurteil an sich spricht man nicht von Datensouveränität, dort werden eher andere Begriffe verwendet und das wurde wahrscheinlich so ein bisschen übergestülpt. Du hast schöne Zitate zum Volkszählungsurteil vorbereitet. Vielleicht ordnen wir als erstes das Volkszählungsurteil ein, oder? Das ist ein Urteil aus 1983. Wann kam es denn zu diesem Urteil? In welcher Situation?
Dr. Malte Engeler: Also das Volkszählungsurteil war eine Reaktion auf Kritik an einer, wie der Name schon sagt, einer Volkszählung und dem Gefühl von einzelnen Beschwerdeführenden, dass die Befragung zu sehr eindringt in die ja, man muss wohl Privatsphäre sagen, in die Persönlichkeitsrechte, vielleicht präziser derjenigen, die da befragt wurden.
Karina Filusch: Wenn man sich heute Beiträge anguckt – leider ist das Urteil vor meiner Zeit gewesen. Ich bin erst 1986 geboren.- Und wenn man sich Beiträge dazu anguckt, so Dokumentation finde ich das sehr, sehr süß. Kann man schon sagen, woran die Leute Kritik geübt haben. Und zwar wurde in der Volkszählung unter anderem gefragt: „Wie groß ist denn Ihre Wohnung oder wie ist ihre Ausbildung?“ Wenn man sich das heute anguckt, was wir heute alles preisgeben im Internet, war das damals wirklich eine ganz andere Realität. Es ist ganz beeindruckend, dass so viele Leute auf die Straße gegangen sind. Genau wegen solcher Fragen unter anderem natürlich, da gab es bestimmt noch mehr.
Dr. Malte Engeler: Das empfinde ich ganz genau so. Ich mache auch relativ viele Fortbildungen und Grundlagenkurse in dem Bereich Datenschutzrecht und da zitiere oder bespreche ich das Volkszählungsurteil. Wenn man dann diese gigantischen Demonstrationen sieht, die da also viele, viele Menschen auf die Straße getrieben haben, die sich voller Empörung gegen diese beispiellose und freche Befragung durch den Staat gewehrt haben, wenn man sich das heute vorstellen würde. Also das sind ganz andere Themen, die die Leute auf die Straße treiben. Wir haben momentan oder mittlerweile eine Situation, in der die Proteste gegen das, was damals scheinbar so furchtbar war, heute fast lächerlich wirken, weil alles vor dem damals gewarnt wurde, längst Alltag ist – auch die Sätze, die das Bundesverfassungsgericht dann geschrieben hat, diese Mahnungen in dem Urteil sind heute fast 40 Jahre später längst digitaler Alltag geworden. Im Grunde ist das Volkszählungsurteil deswegen ein Relikt aus einer Zeit, in der diese Mahnungen noch ansatzweise sinnvoll waren. Heute müsste man das Volkszählungsurteil wahrscheinlich ganz anders schreiben.
Karina Filusch: Welche Zitate hast du denn aus dem Volkszählungsurteil so, wenn du an dieses Urteil denkst?
Dr. Malte Engeler: Also es gibt für mich zwei Kernaussagen, die ich auch jedes Mal zitiere, wenn ich darüber spreche, die mich persönlich bewegen. Das eine ist dieser Satz: „Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung gibt es kein belangloses Datum mehr.“ Das ist so ein Satz, den natürlich Leute immer gerne zitieren, die einen sehr weiten Anwendungsbegriff für personenbezogene Daten vertreten, weil das Bundesverfassungsgericht im Grunde schon gesagt hat, dass eigentlich alles personenbezogen ist. Das ist nur nicht die Aussage dieses Satzes. Diese Aussage, es gibt keine belanglosen Daten, die bleibt trotzdem. Die hat viel Gewicht, weil man sich im Grunde klar machen muss, dass die Anonymisierung mittlerweile 40 Jahre später so weit fortgeschritten ist, dass dieser Satz in den 80ern, wenn man sich daran erinnert, was die damit meinen, die modernen Bedingungen der Datenverarbeitung seit 1980, heute noch viel wahrer geworden ist. Das ist die eine Aussage, bei der ich eigentlich finde, dass sie immer noch Gewicht und Wert hat. Dann gibt es diese andere große politische Aussage, die das Bundesverfassungsgericht trifft, indem es sagt, dass mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, eine Gesellschaftsordnung nicht vereinbar ist, in der Bürgerinnen nicht wissen können, wer, was, wann unter welcher Gelegenheit über sie verarbeitet. Das ist diese Einleitung zu den Sätzen über den Chilling-Effekt, dass wer sich beobachtet fühlt, vielleicht darauf verzichtet, seine Grundrechte auszuüben. Im Zusammenhang mit dieser Feststellung warnt das Bundesverfassungsgerichts, es sei mit einer freien Gesellschaft ist nicht vereinbar, wenn die Leute nicht mehr wissen, was, wann, unter welcher Gelegenheit über sie gespeichert wird. Es stellt damit fest: Achtung, das müssen wir verhindern. Jetzt fast 40 Jahre später, würde ich sagen, hat niemand von uns, der eine Wohnung von einem Freund oder Bekannten betritt die blasseste Ahnung davon, wie viele Mikrophone, Kameras und smarte Geräte eigentlich gerade mithören, mitlesen und mitsehen, was in der Wohnung passiert. Das, was das Bundesverfassungsgericht da als zu verhindernde Dystopie beschrieben hat, ist so deutlich die Realität geworden, dass man sich fragt: „Welche Schutzwirkung hat denn dann eigentlich dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wenn wir 40 Jahre später alle Mahnungen überlebt und genau dort gelandet sind, wovor das Recht eigentlich schützen wollte?“
Karina Filusch: Mir fällt ein positives Beispiel ein, und zwar unterrichte ich oder habe ich Polizeistudenten unterrichtet. Unter anderem geht es dann natürlich auch um Überwachung mit Kameras, weil ich sie im Datenschutz unterrichte. Oft hatten wir dann das Thema ausdiskutiert: „Warum darf bei einer Versammlung nicht einfach eine Kamera die ganze Zeit mit filmen? Warum darf die da nicht oben irgendwo über der Versammlung stehen und das die ganze Zeit mitfilmen?“ Da kommt dann auch das Volkszählungsurteil zum Tragen. Es ist genau dieser Effekt, von dem du berichtet hast. Denn wenn man Leute filmt und sie das sehen können, dann kann es unter anderem dazu führen, dass sie vielleicht ihr Recht zu demonstrieren einfach nicht mehr wahrnehmen wollen oder können, weil sie sich beobachtet fühlen oder weil sie vielleicht Angst vor Konsequenzen haben. Vielleicht sieht es ihr Arbeitgeber und so weiter. Das kann Leute natürlich schon einschüchtern. Das so, als positiven Punkt.
Dr. Malte Engeler: Ja positiv, aber er ist zweischneidig, weil das Beispiel natürlich völlig zutrifft. Die Kamera hat genau diesen Effekt. In dem Moment, wo wir uns aber auf diese Kamera als Beispiel fokussieren, machen wir auch das eigentliche Problem klein, weil wir so tun, als wäre mit dieser Kamera irgendwas gelöst. Die Kamera mal weggedacht, haben wir heute immer noch eine Situation, wo es jedem WLAN-Hotspot auf dem Weg (im Grunde nehmen wir an, das sind alles Vodafone-Hotspots oder Telekom-Hotspots, die an vielen öffentlichen Einrichtungen oder zumindest als Anbieter im Hintergrund die Infrastruktur für diese WLAN Hotspots stellen) relativ einfach möglich wäre den Weg über die bekannte Route anhand der Hotspots nachzuvollziehen und dann über ein bisschen Zusatzwissen doch wieder zu identifizieren, wer da mitgelaufen ist. Auch mithilfe der ganzen Smartphones, die in der Tasche sind und über GPS über diese Bewegung Aufschluss geben könnte man über eine Deanonymisierung sagen, wer eigentlich beteiligt ist. Die Idee, dass wir irgendwas erreichen, weil wir diese Kamera thematisieren, die ist natürlich irgendwo löblich. Aber sie zeigt eben auch, wie völlig wahnsinnig die Vorstellung ist, überhaupt noch einen Zustand herzustellen, wo dieser Satz, den das Bundesverfassungsgericht ja gesagt hat, dass jemand weiß, wer, was, wann und welcher Gelegenheit verarbeitet, erfüllt ist. Einen solchen Zustand wieder herzustellen, ist so unmöglich, dass man sich einfach fragt: „Was genau ist dann eigentlich noch der Wert von diesem Recht auf Selbstbestimmung, das das Bundesverfassungsgericht einmal festgeschrieben hat?“
Karina Filusch: Andererseits können wir z.B. auch genau dadurch Mörder überführen, dass sich ihr Handy in einen Funkmast eingeloggt hat oder andere schwere Straftaten nachvollziehen. Natürlich darf das nicht so weit gehen, dass man bei einem Autounfall, bei einem banalen Autounfall, wo nur ein Blechschaden entstanden ist, dann die Leute trackt. Vielleicht ist die Grenze da manchmal noch ein bisschen zu wenig scharf und die Überwachungsmöglichkeiten sind noch zu groß, auch wenn man sich natürlich freut, wenn man schwere Straftaten dadurch aufklären kann. In den USA gab es so einen ganz interessanten Fall, der allerdings andersherum war. Da hatte sich jemand von einem Familienmitglied das Handy geliehen und auf diesem Handy lief Google die ganze Zeit mit. Das heißt, die Person wurde die ganze Zeit getrackt und die Person wurde dann zu Unrecht einer schweren Straftat verdächtigt. Es hat sich herausgestellt, das war gar nicht die Person, sondern sie wurde fälschlich verdächtigt, und zwar durch dieses Handy, was geliehen wurde. Vielleicht braucht es mehr Regelungen, damit wir uns diese Technik positiv zunutze machen können. Oder wie würdest du das lösen, diese Konfliktsituation? Oder siehst du es gar nicht als Konflikt?
Dr. Malte Engeler: Der Konflikt, den du beschreibst, ist der klassische Konflikt zwischen den Gefahren der Überwachung für unsere Gesellschaft und der damit erreichten Sicherheit zur Abwehr von Verbrechen. Der Konflikt ist da so unveränderlich, wie die Antwort darauf schwer ist. Ich habe natürlich die Frage: Wie löse ich das? Um Gottes Willen, da müsste ich mir jede einzelne Technik anschauen und jeden Straftatbestand und jedes Mal eine Abwägung machen, welche Datenverarbeitung sind gesellschaftlich hinnehmbar? In der Fläche, welche Speicherung und Erhebung wollen wir hinnehmen zum Schutze welcher Rechtsgüter und mit welcher Eingriffsintensität? Die Antwort habe ich offensichtlich nicht. Ich bin nur verwundert, weil der Ausgangspunkt die Frage war: Gibt es positive Beispiele dafür, wo wir einzelne Maßnahmen betrachten und daraus irgendeine Gewissheit, irgendein tröstendes Gefühl von ja, das Kämpfen um informationelle Selbstbestimmung (also um einen Zustand, wo Leute wissen, was über sie verarbeitet wird) ergibt Sinn? Hat der hat Erfolg und macht der Mut und motiviert der mich? Deshalb zu sagen, dass der Fokus auf diesen Kameras liegt, ist zwar richtig, aber er lenkt auch ab. Er lenkt davon ab, dass wir 40 Jahre nach dem Volkszählungsurteil eine technische Gesellschaft haben, in der Datenverarbeitung derart in unsere Gesellschaft, unseren Alltag eingewoben ist, dass das, was das Recht auf Selbstbestimmung schützen wollte, nämlich im Zweifel die Fähigkeit von uns, in jeder Situation in der Lage zu sein, zu sagen: „Ich weiß gerade, wer zuhört. Ich weiß gerade, wer Informationen über mich speichert.“ heute nicht mehr geschützt ist. Diesen Zustand, über den man streiten könnte, ob der 1980 noch gegeben war oder ihm ideal gegeben war können wir heute auf gar keinen Fall mehr herstellen. Das ist unmöglich.
Karina Filusch: Warum ist das aus deiner Sicht unmöglich? Kannst du da noch einen kleinen Einblick geben?
Dr. Malte Engeler: Ich weiß nicht. Jedem, der sich ansatzweise damit befasst, was heutzutage an Datenverarbeitung stattfindet, ist das so offensichtlich, dass es mir fast schwerfällt, das jetzt zu erklären. Ich würde das Beispiel einer normalen Alltagsinteraktion anführen. Ich bin im Supermarkt, ich laufe die Straße runter, habe meinen Einkauf in der Tasche und gehe nach Hause. Vielleicht besuche ich auf dem Weg noch eine Freundin oder gehe einen Kaffee trinken. Ich weiß nicht, an wie vielen Stellen mittlerweile über diverseste Technologie Spuren von mir auf Servern verbleiben. Ich weiß nicht, bei wie vielen Unternehmen und Unterauftragsnehmer*innen und so weiter. Diese Frage ist mal dem Durchschnittsmenschen zu stellen, der diesen Alltag so durchlebt: „Weißt du eigentlich vom Supermarkt, vom Bezahlvorgang, vom von der Straße runtergehen, vom Besuch in der Wohnung der Freundin, wo Alexa und Siri da sind, dann wieder nach Hause, noch ein Kaffee trinken, kurz ins WLAN im Café einloggen bis nach Hause und da dann Netflix gucken; weißt du eigentlich, welche Daten da verarbeitet werden?“ Das wäre der Idealzustand. Den wollen wir herstellen. Im ersten Schritt muss man diesen Zustand des Wissens herstellen, um überhaupt die Selbstbestimmung zu ermöglichen. Ich glaube, niemand, der nicht entweder ganz naiv ist oder der wirklich ein wahnsinniger Crack ist, könnte diese Frage beantworten mit: „Ja, weiß ich, ich weiß genau, was an jeder Stelle an Daten verarbeitet wird.“ Und die Tatsache, dass diese Antwort eigentlich immer: „Ne keine Ahnung, was verarbeitet wird“, lauten würde, ist doch eigentlich der Beweis dafür, dass dieses Ideal, was das Bundesverfassungsgericht vor 40 Jahren aufgestellt hat, kaum noch zu erreichen ist.
Karina Filusch: Zumal selbst wenn man versucht, zum Beispiel seine Alexa zu durchleuchten und zu verstehen, was sie da verarbeitet, wird es einem echt nicht leicht gemacht. Wir hatten auch eine Podcast Folge zu Sprachassistenten und in der Vorbereitung wollte ich auch die Datenschutzhinweise zur Alexa lesen und das war so schwierig. Man musste sich so durchklicken und irgendwo in einem kleinen Unterlink habe ich dann die Information bekommen, die ich haben wollte, aber sie war sehr kurz und knapp und es war nur eine grobe Info. Also selbst wenn man sich bewusst ist, dass da Daten verarbeitet werden und man sich damit beschäftigen möchte, wird es einem echt nicht leicht gemacht. Andererseits steht man natürlich vor der Frage: „Was mache ich dann?“ Verzichte ich jetzt auf meine Alexa? Wenn ich die Alexa nicht nutzen will, nehme ich vielleicht das Konkurrenzprodukt und so weiter. Das funktioniert vielleicht ein bisschen besser, weil es vielleicht ein bisschen intelligenter ist. Der Chip ist vielleicht ein bisschen besser und hochwertiger. Aber am Ende des Tages werde ich trotzdem mit aufgezeichnet. Andere Diensten haben sogar eine Monopolstellung. Da gibt es keine andere Auswahl. Also haben wir hier, wie du es richtig beschrieben hast, diese Diskrepanz zwischen Selbstbestimmung und Monopolen. Wie gehst du im Alltag denn mit sowas um?
Dr. Malte Engeler: Ich persönlich mache es so, dass ich nicht auf diese Dienste verzichte. Ich würde auch sagen, wenn du die Frage stellst: „Was machen wir jetzt? Verzichten wir auf Alexa und gehen irgendwo anders hin?“ Dann würde ich immer sagen: Das ist auf gar keinen Fall die Lösung. Die Herausforderung, auf einer individuellen Ebene diese strukturell vorhandene, alles umfassende Datenverarbeitung irgendwie lösen zu können, ist meiner Ansicht nach weder zu leisten, noch ist sie die richtige Lösung, der man sich stellen sollte. Das sollte man deshalb nicht tun, weil es diese Problematik auf die Ebene von einzelnen schwachen Akteuren in einem großen, großen Netzwerk und Getriebe verschiebt, die am wenigsten daran ändern können. Selbst wenn ich mich entscheiden würde, WhatsApp nicht mehr zu nutzen und Twitter nicht mehr zu nutzen, Instagram nicht mehr zu nutzen, kein Smartphone mehr zu benutzen, all diese Dienste nicht mehr zu nutzen, ändert sich überhaupt nichts daran, was diese Dienste tun. Dieses Ideal von, wenn wir uns nur alle einfach verbünden würden und alle nicht mehr WhatsApp nutzen würden, dann… – das ist halt Unsinn, weil erstens wir keine freien Akteure sind. Wir sind alle einem Markt unterworfen, wir leben alle in Abhängigkeiten. Wir alle haben gewisse Freiheitsgrade, aber wir sind alle irgendwo abhängig davon, diese Dienste nutzen zu müssen. Diejenigen, die sagen können, ich kann darauf verzichten, auf Twitter zu sein, ich kann auf Mastodon sein. Diejenigen, die das können, statt WhatsApp zu nutzen. Da denke ich immer, na, Applaus. Das finde ich toll. Macht das auf jeden Fall. Ich würde aber immer verhindern wollen, dass aus diesen Einzelfällen für Menschen, die es nicht können, ein leichtes Shaming entsteht, weil die meisten es eben schlicht und ergreifend nicht können. Das fängt bei mir schon relativ niedrigschwellig an. Also nicht können heißt im Grunde, einen ganz normalen Alltag zu haben. Wer einen ganz normalen Alltag hat, für den sind die Dienste nicht verzichtbar. Diese Menschen, die große Masse von Leuten sollte sich schlicht und ergreifend nicht schuldig fühlen müssen, sich nicht so wie du es gerade geschildert hast, bei jeder Anschaffung erst mal mühselig durch Datenschutzbedingungen zu klicken, weil es einfach nicht leistbar ist. Das machen wir in ganz anderen Bereichen ja auch nicht. Im Umweltschutz, im Lebensmittelrecht oder im Straßenverkehr haben wir uns daran gewöhnt, dass wir da mit einem gewissen Vertrauen in die Regelungen für diese allgemeinen Dienste und Infrastrukturen herangehen und sagen: „Wenn ich im Supermarkt Milch kaufe, dann wird da schon kein Gift drin sein.“ Darauf vertraue ich einfach. Wenn ich in ein Dorf gehe, meinetwegen eine Ferienwohnung beziehe und ich ahne, da ist irgendwo vielleicht ein Kraftwerk in der Nähe, meinetwegen sogar ein Atomkraftwerk, dann gehe ich davon aus, dass es staatliche Schutzvorkehrungen gibt, die verhindern, dass ich gerade mich lebensgefährlich verstrahle. Das sind alles Erwartungen, die wir an Strukturen haben, die wir brauchen, um zu existieren. Hier könnten wir uns das auch nicht leisten jedes Mal auf den Milchkartons Bücher durchzulesen, welche Inhaltsstoffe hier drin sind, damit ich dann eine informierte Entscheidung treffen kann, ob ich diese vergiftete Milch oder für 10 Cent mehr die weniger vergiftete Milch kaufen will. Das kann ich einfach nicht machen und dann funktioniert mein Alltag nicht mehr. Ich habe nicht so viel Zeit, ich habe auch nicht genug Zeit jedes Mal bevor ich mein Auto anmache, irgendwie Warnungsbanner weg zu klicken und mich zu informieren. Übrigens heute gehen die Bremsen nicht und der Gurt und der Beifahrer-Airbag sind auch kaputt. Aber Sie haben ja keinen Beifahrer, also ist das doch verzichtbar, oder klicke ich mich durch? Ich kann auch nicht jedem Ortsschild erstmal: „Achtung! Hier in diesem Ort sind folgende Schwermetalle im Boden. Wir informieren Sie, damit Sie selbstbestimmt entscheiden können, ob Sie hier weiterfahren oder nicht.“ Ich sage euch ganz ehrlich, so funktioniert das Leben nicht und so funktioniert das Leben auch nicht in der digitalisierten Gesellschaft, wo wir uns im Grunde, um einen Ansatz von Kontrolle zu behalten irgendwie erstmal Jahre lang diesen ganzen Texten widmen müssten.
Karina Filusch: Es ist also ganz offensichtlich: Der Markt an sich kann das nicht regeln. Aus genau den Gründen, weil wir uns alle nicht organisieren könnten und nicht darauf verzichten könnten. Wie wäre es denn jetzt mit einem TÜV-Siegel für Datenschutz, irgendein Siegel oder ein Datentreuhänder und so weiter? Was hältst du von solchen Lösungen? Wie schätzt du die ein? Durch Reglementierung?
Dr. Malte Engeler: Diesen Plan, die du da beschreibst, der wird ja von relativ vielen auch mittlerweile vertreten. Also wer nun darüber wacht, dass Regeln eingehalten werden, ist schlussendlich egal. Ob das jetzt, um das mal wieder zu übertragen, die Lebensmittelaufsichtsbehörden sind oder das Kraftfahrtbundesamt oder irgendwelche Umweltbehörden oder jetzt bei uns im Datenverarbeitungsfall irgendwelche Treuhänder oder sowas. Entscheidend ist, dass wir uns lösen von dieser Vorstellung, dass wir auf der Transparenzebene noch irgendwie hantieren müssen, dass wir irgendwie mehr Transparenz schaffen wollen. Wir haben sowieso schon zu viel Transparenz. Kein Mensch kann diese Transparenz überhaupt noch verarbeiten, weil wir mit transparenten Informationen, die wir theoretisch zur Kenntnis nehmen könnten und aus denen wir dann theoretisch irgendwelche selbstbestimmte Entscheidungen treffen könnten, erschlagen werden. Davon müssen wir uns verabschieden und uns die Frage stellen: „Was sind denn Leitplanken, allgemeine Vorgaben, die wir machen, damit wir einen ansatzweisen Ausgleich zwischen den gesellschaftlich vorteilhaften Effekten der Digitalisierung und den gesellschaftlich nachteiligen Effekten haben?“ Da kann man sich alle möglichen Bereiche angucken, Daten- und Gesundheitswesen, Datenverarbeitung im Bereich von Monetarisierung, von Webinhalten, also Werbung zum Beispiel. Stellen wir uns einfach die Frage: „Was finden wir denn noch in Ordnung?“ Und dann sagen wir als Staat oder als Gesellschaft eben: Das ist die Grenze. Dann sind wir diese ganze Diskussion um Transparenz und Einwilligung und Selbstbestimmung und auch die Überforderung der Leute los. Ein gutes Beispiel ist hier zu sagen: Nur noch kontextabhängige Werbung, keine personalisierte Werbung mehr, weil wir diese Effekte gesellschaftlich nicht für tragbar halten. Dieses personalisierte Zuschneiden von Inhalten ist so gefährlich, so toxisch und so missbrauchsanfällig. Die kriegen wir als Gesellschaft nicht in den Griff, genauso wenig wie wir Atomkraft in den Griff kriegen. Da lassen wir die Finger von. Darauf einigen wir uns und das machen wir das auch nicht, es sei denn jemand willigt ein. Wir sagen einfach, dass dort die Grenze liegt und es nicht weiter geht. Dann regeln wir einfach eine zulässige Art und Weise der Monetarisierung. Das hat natürlich wirtschaftliche Folgen für die Leute. Aber wir leben eben nicht nur in einer auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichteten Gesellschaft, sondern auch in der Gesellschaft, in der wir andere Güter haben, die wir möglichst zur Blüte kommen lassen wollen. Und dann sagen wir einfach: „Hier sind die Regeln, die werden eingehalten und wer sie dann vollzieht oder überprüft, ist im Grunde ganz egal.“
Karina Filusch: Du hast gerade noch den Punkt der Einwilligung eingeworfen. Das ist auch etwas, was mich sehr stört. Wir werden überall gefragt, im Internet oder bei der Friseurin und, und, und, ob wir in die Datenverarbeitung einwilligen. Manchmal ist es einfach komplett falsch, also so rein rechtlich, dort eine Einwilligung einzuholen. Dann legitimieren wir etwas, das völlig rechtswidrig oder gar nicht okay ist. Etwas, dass wir eigentlich gar nicht wollen, legitimieren wir mit einem Klick oder mit unserer Unterschrift. Das ärgert mich persönlich auch tierisch im Alltag. Sind das die Punkte, die dich an dem Begriff der Datensouveränität stören? In der Vorbereitung hatte ich so das Gefühl, das wird eine Pro-Kontra-Diskussion und, dass du diesen Begriff der Datensouveränität eher ablehnst. Ich hoffe, ich unterstelle dir nichts.
Dr. Malte Engeler:Du unterstellst mir nichts. Derzeit würde ich tendenziell in Richtung Ablehnung gehen, aber ich würde den Begriff Datensouveränität von der Diskussion um den Begriff informationelle Selbstbestimmung (und damit hängt die Anwendung zusammen) trennen. Meine Kritik an der Idee, die Digitalisierung über Transparenz und Einwilligung zu regeln, ist eine eigenständige Kritik. Die überschneidet sich ein bisschen, aber es ist eine eigenständige Kritik. Meine Kritik an dem Begriff Datensouveränität hat noch darüber hinaus ganz andere, davon unabhängige Gründe. Aber zuerst einmal wollte ich dir meine volle Zustimmung zu dem, was du zur Einwilligung sagst aussprechen. All das, was wir gerade besprochen haben, also dass das oft auch eine Farce ist und dass es eigentlich gar nicht leistbar ist, diese Informiertheit herzustellen, empfinde ich genau wie du. Deswegen ist es so schön, dass du das sagst. Darüber hinaus empfinde ich das genau wie du, dass die Einwilligung ot auch als Legitimation für eine gesellschaftlich unerwünschte Datenverarbeitung herhalten muss und die Einwilligung dann etwa, also rein formal, legitimiert und wirksam eingeholt wird. Meinetwegen ist diese Einwilligung auch gültig und zumindest theoretisch sind wir informiert, weil wir es lesen können. Aber dann hört so ein bisschen die Prüfung auf. Wenn wir uns zum Beispiel Instagram angucken, stellen wir fest, dass das extrem toxische Wirkungen auf junge Menschen hat. Das basiert alles irgendwo auf Datenverarbeitung, aber die Datenverarbeitung ist rein formal von der Einwilligung gedeckt. Dann ist da noch die Frage: „Welchen Wert hat denn eine Einwilligung, die außer den Voraussetzungen Informiertheit, Ausdrücklichkeit und Freiwilligkeit gar keine eigene Werteentscheidung kennt, weil man ja praktisch alles legitimieren kann, solange man nur vorher informiert, worum es geht und die Leute freiwillig einwilligen?“ Wenn das wirklich alles ist, was die Einwilligung liefert, dann sehe ich das wie du, dass man im Grunde sagt, ja, aber das macht doch das, was am Ende passiert, nicht besser. Das ist dann doch wirklich nur eine Fassade von Rechtmäßigkeit. Die Werte, die wir schützen im Datenschutzrecht schützen wollen, die werden ja gar nicht geschützt und ist reine Schminke auf einem sehr hässlichen Schwein. So, das ist alles die Debatte um „Wie reguliere ich aktuelle digitale Bereiche unserer Gesellschaft“. Meine Bitte und mein Plädoyer dazu lautet immer: „Um Gottes Willen! Hört bitte mit Einwilligungen auf. Das führt nirgendswo hin.“ Das sickert auch so langsam in den Mainstream, habe ich das Gefühl. Ich habe jetzt gestern aber wirklich nur überflogen gesehen, dass in den USA ein Gesetzesvorhaben zur Regulierung von personalisierten Inhalten und Werbung im Netz diskutiert wird, woraufhin ich diesen Gesetzentwurf erst einmal nach Consent Age usw. durchgesucht habe. Ich war ganz berauscht und beglückt, dass da wohl tatsächlich ein Gesetzesentwurf gemacht wurde, in dem die Einwilligung nicht als Hintertür eingebaut wurde. Das ärgert mich eben auch an all diesen großen Digitalisierungsgesetzesvorhaben, die wir aktuell in Europa kommen sehen, also an der Privacy-Verordnung und dem Service und Digital Markets Act. Überall fangen die Sätze genauso an und man sagt ja ganz genau, was irgendwie verboten oder nicht zulässig ist, bzw. nur unter bestimmten Bedingungen. Dann freut man sich und liest Absatz 2, Buchstabe B oder noch den nächsten Paragrafen oder Artikel. Es sei denn, die Betroffenen haben nach den Bedingungen der Datenschutz-Grundverordnung eingewilligt und man denkt sich: Warum reißt ihr alles, was ihr aufbaut und am Schwanz wieder ein?
Karina Filusch:Du sagst es ganz genau, man müsste an Google, Amazon und Co. eigentlich mal rangehen. Das sind im Grunde diejenigen, die nicht gut mit unseren Daten umgehen und viele von uns wissen das auch. Wir brechen das vielleicht nur nicht auf das kleine Gerät, was dann in unserer Tasche steckt, herunter oder reden uns das vielleicht schön, um es dann mit gutem Gewissen benutzen zu können. Auf jeden Fall hast du tolle Perspektiven eingebracht. Es war sehr wertvoll, dass wir das mit der Transparenz und der Einwilligung heute besprochen haben und dass du deine Sicht noch mal dargelegt hast. Du hast auch einen sehr, sehr guten Artikel zum Thema Datensouveränität und Einwilligung auf Netzpolitik geschrieben, den ich auch gleich verlinke. Über diesen Artikel bin ich darauf gekommen, dich danach zu fragen, ob du mit mir darüber sprechen möchtest. Ich habe auch sehr viel dazugelernt und ich glaube, wir haben doch ein paar Gemeinsamkeiten gefunden, was mich ganz besonders freut. Und jetzt darf ich dir noch die letzte Frage stellen. Und zwar: Was ist DaSou für dich persönlich?
Dr. Malte Engeler: Mein Problem mit der Datensouveränität ist gar nicht so sehr all das, was ich gerade bezüglich dieser Sinnlosigkeit von Einwilligung, Selbstbestimmung und Transparenz bei der Regulierung von Diensten und so weiter, sagte. Der Begriff Datensouveränität wird nach meinem Gefühl aktuell ganz primär in einem Kontext benutzt, in dem es darum geht, Staaten, Nationalstaaten oder auch Europa handlungsfähig zu halten und ihr Gewaltmonopol zu sichern. Die Akteure, die Datensouveränität primär benutzen, sind Akteure, denen es darum geht, eigene wirtschaftliche oder eigene Herrschaftsinteressen durchzusetzen und diese Souveränität auch auf dem Digitalbereich zu schützen. Das ist aber für sich ein Begriff, der dann dazu führt, dass zum Beispiel die Frage, ob wir „unsere Grenzen“ vor Geflüchteten schützen und dann sagen, wir bauen jetzt datensouverän und unabhängig von Apple Cloud Services und Microsoft Cloud Services eine Infrastruktur zur Verarbeitung von Daten von Schutzsuchenden auf, die dann Frontex nutzt, um was auch immer zu machen. Dann ist der Begriff Datensouveränität zwar technisch richtig, weil wir meinetwegen europäische Behörden unabhängig machen und ihre Souveränität, also das europäische Monopol, Gewaltmonopol hinsichtlich der Migrationsströme sichern. Aber das heißt noch lange nicht, dass die mit dieser Souveränität durchgesetzten Interessen menschenwürdig sind. Deswegen ist der Begriff der Datensouveränität mindestens unglücklich offen gegenüber solchen Akteuren, die ihn mit sehr zweifelhaften, sehr schlechten Motiven füllen und auch füllen können. Wenn wir ihn unkritisch benutzen und ihn zum Beispiel als Synonym für digitale Selbstverteidigung oder informationelle Selbstbestimmung benutzen, dann ist das ja, wenn man es positiv ausdrücken will, maximal ein bisschen unglücklich. Aber es ist auch ein Risiko, wenn wir uns dem nicht bewusst sind, weil wir einen Begriff weiter am Leben erhalten, weil wir ihn weiter positiv framen, er aber im Mainstream dann sofort als Souveränität bekannt ist. Da gibt es sogar total optimistische und freundliche Menschen, die reden von Datensouveränität. Der Begriff wird so eingebläut und alle freuen sich. Dann wird er aber in einer brutal brachialen imperialistischen Art und Weise benutzt und diese Gefahr würde ich gern vermeiden. Deswegen benutze ich den Begriff Datensouveränität im Alltag, außer wenn ich ihn kritisch betrachte, gar nicht.
Aileen Weibeler: Hinter Cookies, Einwilligungen und Smart-Speakern steckt einfach so viel mehr. Da tun sich wirklich Grundsatzfragen auf, inwieweit Einwilligungen notwendig sind, Verbraucher überhaupt freiwillig einwilligen oder vielleicht eher einem System an Monopolen ausgeliefert sind.
Karina Filusch: Mich hat Malte total überzeugt, er hat mir viele neue Impulse gegeben, insbesondere, was mehr Transparenz und mehr Einwilligung angeht, und dass sie nicht unbedingt die Lösung für das Problem sind. Ich bin gespannt, ob es bald Wege geben wird, die es uns in der Zukunft erlauben, mehr Datensouveränität zu haben. Nichtsdestotrotz werden wir in diesem Podcast weiterhin Aufklärung zu bestimmten datenschutzrechtlichen Themen und zu Datensouveränität betreiben. Irgendwo muss man ja anfangen.
Aileen Weibeler: Ja, gerade bei der Transparenz habe ich mich auch gefragt, wer sich wirklich die Zeit nimmt, sich alles durchzulesen und habe mir auf der anderen Seite auch die Frage gestellt, wer es sich überhaupt leisten kann, auf werbefinanzierte Tarife zu verzichten. Ich glaube, da müssen wir uns alle ein bisschen an die eigene Nase packen.
Karina Filusch: Du sagst es. Wir hoffen, dass diese Folge hilfreich war und euch gefallen hat. Hört doch beim nächsten Mal wieder rein, wenn wir wieder über DaSou sprechen. Habt ihr Fragen zu DaSou, schickt uns eine Mail an hallo@dasou.law oder schickt uns einfach eine Nachricht auf Twitter oder Instagram und lasst uns unbedingt ein Abo da. Bis bald.
Aileen Weibeler: Bis bald.
Karina Filusch: DaSou ist eine Produktion der Kanzlei Filusch. Mehr Infos findet ihr auf unserer Webseite. Die DaSou-Redaktion besteht aus Anja Lindenau, Aileen Weibeler und Karina Filusch. Der Jingle wurde komponiert von Mauli. Die Idee zu DaSou hatte Axel Jürs. Das Cover hat Hélène Baum erstellt. Beraten wurden wir von Susan Stone. Editiert wurde der Podcast von Christoph Hinners.