Folge IOIIO*: Women in Tech mit Güncem Campagna

*das ist „Binärisch“ und bedeutet:…22

In der heutigen Folge geht es darum, wie aus den einzigen weiblichen Pionierinnen der Programmierwelt ein Mangel an Frauen in den IT-Berufen werden konnte. Wie insbesondere junge Frauen für die MINT-Berufe durch Mentoring-Programme begeistert werden sollen, darüber sprechen wir mit Güncem Campagna, der Geschäftsführerin von Women in Tech. Wenn Internetseiten nach den intuitiven Bedürfnissen von Männern aufgebaut werden, ist das eine Sache, geht es jedoch um die Beantragung eines Kredits, bei dem Frauen alleine durch das Ankreuzen des Geschlechts einen Nachteil erleiden, wird dies problematischer. Auch sind Sicherheitsmechanismen in Autos auf männliche Körper ausgerichtet. Übertragen wir diese Beispiele auf die digitale Welt, wird schnell klar, wie es um die Chance auf Gleichberechtigung, so auch dem Recht auf Sicherheit, wirklich steht. Quintessenz der Folge ist zusammengefasst: Warum werden dringend mehr Frauen in der IT-Welt gebraucht, davon alle anderen Frauen profitieren würden und nicht zuletzt warum Jobs in dieser Branche besonders sicher und gut vergütet sind.

Hört gerne in unsere Folge rein uns hinterlasst uns eure Meinung auf Twitter oder Instagram!

Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns gerne eine Mail an hallo@dasou.law und folgt uns auf Twitter/Instagram bei dasou_law.

Show-Notes

Twitter von Güncem Campagna: https://mobile.twitter.com/GunCampagna

Internetseite von Women in Tech: https://www.womenintechev.de/

Coding-Schule von Güncem Campagna: https://www.codingschule.de/

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Transkript

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Karina Filusch:Hallo und herzlich Willkommen beim Dasou-Podcast. Ich bin Karina Filusch, Datenschutz-Anwältin und externe Datenschutzbeauftragte. In jeder Folge sprechen wir mit einer Expertin oder einem Experten über Datensouveränität abgekürzt DaSou.


Aileen Weibeler:Ich bin Aileen Weibeler und angehende Juristin. Lasst uns auf jeden Fall ein Abo da. Darüber würden wir uns sehr, sehr freuen.


Karina Filusch:Heute sprechen wir mit einer Vertreterin von Women in Tech. Women in Tech ist ein Verein, der Frauen für den Tech-Bereich gewinnen und begeistern will. Sie machen das zum Beispiel über ein Mentoring-Programm, in dem junge Frauen, die in Tech-Berufe gehen möchten, von einer erfahrenen Person, die in diesem Beruf schon arbeitet, an die Hand genommen werden. Außerdem haben sie spannende Formate wie zum Beispiel Speak Up, in denen Frauen aus technischen Berufen ihr Thema vorstellen können und sie geben auch Infos dazu, wie man Programmieren lernen kann. Unser Gast verrät uns heute auch, wie viele Frauen im IT-Bereich arbeiten, aber dazu später dann mehr.


Aileen Weibeler:Dazu haben wir heute Güncem Campagna bei uns. Sie ist Geschäftsführerin von Women in Tech und studierte Volkswirtin. Sie leitet eine Coding Schule in Düsseldorf und ist außerdem Unternehmensberaterin und Marketingstrategien für Start-Ups.


Karina Filusch:Liebe Güncem, kannst Du uns mehr zu Women in Tech sagen? Welche Ziele verfolgt ihr genau?


Güncem Campagna: Wir verfolgen verschiedene Ziele bei Women in Tech. Women in Tech ist ein gemeinnütziger und branchenübergreifender Verein. Als oberstes Ziel können wir definieren, dass wir einfach mehr Women in Tech haben möchten. Und da gibt es natürlich verschiedene Maßnahmen: Zum Einen möchten wir junge Frauen dafür motivieren, eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen, das sie dann zu einer Women in Tech macht. Zum anderen vernetzen wir Frauen, die in technischen Berufen arbeiten, damit sie sich fachspezifisch austauschen können. Intern bieten wir auch an Mentoring an, so dass erfahrene Frauen aus technischen Berufen, junge Frauen, die einsteigen möchten oder die gerade eingestiegen sind, beraten und unterstützen können.


Karina Filusch:Was macht ihr noch für Maßnahmen? Das Mentoring-Programm halte ich für eine tolle Idee.


Güncem Campagna:Es gibt viele verschiedene Maßnahmen, die coronabedingt teilweise pausieren. Wir haben dieses Mentoring-Programm, das du erwähnst. Da können sich Frauen als Mentorin oder als Mentee bewerben und wir schauen, wo die Übereinstimmungen sind. Dann gibt es formlose Gespräche. Das hilft sehr, das wissen wir von unseren Mitgliedern. Dann haben wir Events, die jetzt aktuell aufgrund der Corona-Situation online stattfinden. Wir haben eine Slack-Gruppe, in der wir uns auch zwanglos und formlos austauschen. Es gibt ein Speak-Up, da laden wir eine Expertin zu einem bestimmten Thema ein, die wir interviewen. Wir sind ziemlich offen und ziemlich formlos. Es kann sich jeder bei uns einbringen. Wir sind im Übrigen auch offen für Männer und auch für Menschen anderen Geschlechtes. Wir möchten einfach das Thema Diversity, in diesem Fall Gender Diversity fördern und greifen da zu anderen Maßnahmen. Wir sind da ganz offen.


Karina Filusch:Man liest und hört oft, es gibt einen Mangel an Expertinnen. Könnte dieser Mangel mit Frauen behoben werden? Wäre das nicht ein guter Weg?


Güncem Campagna:Das ist ein guter Weg, deshalb gibt es aktuell auch so einen Kampf um Expertinnen. Wir haben ungefähr einen Fachkräftemangel von ungefähr 90.000 Personen in der IT in Deutschland. Natürlich gibt es in anderen Bereichen noch viel gravierendere Mängel. Da kommt man zu dem Schluss, dass die Fachkräfte aus den männlichen Reihen wahrscheinlich schon in Jobs beschäftigt sind. Die müssen irgendwo angeworben werden aus dem Ausland. Da hat man gesagt „Okay, welches Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft? Das sind die Frauen.“ Viele Unternehmen, auch viele größere Unternehmen, bemühen sich aktuell um Frauen in IT-Berufen. Ja, mit Sicherheit kann das dazu führen, dass der Mangel etwas gelindert wird, indem man mehr Frauen in die IT-Jobs holt, denn wir haben aktuell eine Frauenquote von 17% in der IT. Die kann man natürlich erhöhen.


Karina Filusch:Was würde denn passieren, wenn wir die Frauen jetzt nicht in die IT, in die technischen Berufe holen und uns nicht um diese Expertinnen kümmern?


Güncem Campagna:Ich glaube, es würde so weiter gehen wie bisher. Es würden technische Produkte entwickelt, es würden disruptive Technologien entwickelt werden, es würde sich die KI weiterentwickeln und die Frauen hätten daran nicht mitgewirkt. Das finde ich ziemlich schade, denn so rasant, wie sich Technologien gerade entwickeln und auch Machtverhältnisse weltweit verschieben, da ist es doch nur demokratisch, wenn möglichst viele Geschlechter daran partizipieren, diese Technologien mitgestalten und auch die Machtverhältnisse mit neu schreiben.


Karina Filusch:Gibt es ansonsten noch andere negative Auswirkungen, die dir aufgefallen sind, weil es nur 17% Frauen in technischen Berufen oder in der IT-Branche gibt?


Güncem Campagna: Zum einen denke ich, ist es undemokratisch, wenn Machtverhältnisse neu definiert werden und nur eine Gruppe von Menschen bei dieser Neugestaltung mitmacht. Zum anderen: Wenn Produkte von Männern entwickelt werden, dann werden sie aus rein männlicher Sicht für Männer entwickelt. Das fängt bei kleinen Beispielen an, wie zum Beispiel Amazon. Amazon ist damals von männlichen Entwicklern entwickelt worden und die Produktsuche richtet sich nach männlichen Bedürfnissen. Ein Mann möchte Produkteigenschaften lesen, das Bild sehen und dann ist gut, während eine Frau wissen möchte „Wozu brauche ich denn diese Produkteigenschaft? Was kann ich denn damit am Ende machen?“. Das ist für Frauen eher wichtig. Ein Mann blickt sehr zielstrebig bis zur Kasse durch, während Frauen mehrere Schleifen machen. Auch das wird in vielen Online-Shops gar nicht berücksichtigt. Dann gibt es aber auch komplett andere Bereiche wie die KI. Wir gehen von einem Bot aus, der die Kreditvergabe im Vorfeld koordiniert und schaut „Wer ist denn da? Ein Mann oder eine Frau? Was verdient die oder der? Welche Berufsmöglichkeiten hat sie? Welche Gehaltschancen hat sie?“. Dann ist es so, dass Frauen generell schlechter abschneiden, wenn ganz am Anfang angeklickt wird, ob man ein Mann oder eine Frau ist, dann sinkt bei der Frau die Chance, dass sie diesen Kredit erhält oder ihr Zins ist wesentlich höher. Das hat Steve Wozniak sogar vor einiger Zeit mal adressiert. Er und seine Frau haben gleichzeitig einen Account bei einem Apple-Dienst angelegt und seine Frau hatte, obwohl sie im gleichen Haushalt leben, obwohl sie gemeinsame Konten haben, schlechtere Chancen. Warum? Weil sie eine Frau ist und Frauen durchschnittlich weniger verdienen. Die KI ist einfach biased. Da fließen ganz viele Faktoren mit rein und das würde eine Frau mit einer anderen Sensibilisierung wahrscheinlich auch anders definieren. Dann gibt es noch das Gender Data Gap. Viele KIs werden mit Daten gefüttert. Die KI ist genauso schlau wie die Daten, mit denen sie gefüttert worden ist. Wenn da die Frau nicht mitreinspielt, dann wird die Frau bei den Ergebnissen am Ende immer schlechter abschneiden. Es ist wichtig, dass alle gesellschaftlichen Gruppen mitgestalten.


Karina Filusch:Könntest du noch erklären, was ein Bias ist?


Güncem Campagna:Bias ist die Gewichtung bei einer Entscheidung, die vorurteilsbelastet ist.


Karina Filusch:Ich hätte an etwas Banales gedacht bei den negativen Auswirkungen. Zum Beispiel daran, dass mein Handy mir eigentlich viel zu groß ist für meine Hand und ich regelmäßig Krämpfe im Daumen kriege und in der Hand, wenn ich Nachrichten tippe.


Güncem Campagna:Absolut. Ich hatte auch so ein Handy, das muss ich zurückgeben. Das war nicht für die Frauenhand gedacht. Bei der Produktgestaltung gibt es viel krassere Beispiele. Die Sicherheit im Auto ist auf den männlichen Körper ausgerichtet, auf einen 75 Kilo schweren Mann. Frauen müssen, wenn sie Auto fahren, den Sitz nach vorne schieben und dann ist die Sicherheit schon nicht mehr so hoch, wie sie damals beim Crashtest eingestuft worden ist. Die Frau sitzt viel näher am Unfallgeschehen als ein Mann und hat ein 40% höheres Risiko, einen tödlichen Unfall zu erleben als der Mann. Das ist schon krass.


Karina Filusch:Wie würdest du das denn so international bewerten? Würdest du sagen, dass Frauenmangel in technischen Berufen generell überall auf der Welt ein Problem ist? Oder gibt es da Länder, die vorbildlich sind? Ist das ein deutsches Problem? Ich habe so ein bisschen das Gefühl, weil ich auch polnische Wurzeln habe, dass es dort ein klitzekleines bisschen besser in den Statistiken ist. Meine Cousine ist ganz selbstverständlich Ingenieurin geworden. Da hat keiner applaudiert oder gesagt „Ach toll, eine Frau im Ingenieurbüro“, weil es so super normal ist. Aber vielleicht sind das auch Einzelfälle. Wie siehst du das so im Blick auf die Welt?


Güncem Campagna:Ja, so ähnlich wie du es auch schilderst. Polen ist da ein guter Vorreiter, ziemlich vorbildlich, was das betrifft. Viele andere Länder sind Deutschland voraus. In den internationalen Statistiken schneidet Deutschland immer recht schlecht ab. Weltweit gibt es einfach mehr Männer in technischen Berufen, das ist überall so. Aber Deutschland gehört eher zum unteren Drittel, würde ich sagen.


Karina Filusch:Da muss man echt schlucken, weil wir so ein reiches Land sind und uns so was leisten. Das können wir uns aber definitiv auf Dauer nicht leisten. Wie können wir dieses Problem denn auf lange Sicht lösen? Hast Du ein Patentrezept?


Güncem Campagna:Wenn es das Patentrezept gäbe, dann gäbe es das Problem nicht. Aber um nochmal darauf zurückzukommen, du sagst, wir sind ein reiches Land und können uns das gar nicht leisten. Wir haben dieses Problem, weil wir ein reiches Land sind, denn es gibt gar nicht diesen Druck. Die IT oder ein Job in der IT, in der Zeit der Digitalisierung, in der wir jetzt leben, die bietet die Möglichkeit, mit ganz wenigen Ressourcen erfolgreich zu werden. Man kann international arbeiten. Wenn man im digitalen Bereich ist, reichen da schon ein Notebook, ein Computer und Internet. Man kann dadurch die ganze Welt verändern, man könnte von überall arbeiten. Man könnte auch in seinem Heimatland für ein anderes Land arbeiten. Das bedeutet für viele Frauen in gerade ärmeren Ländern, wo die Bildungschance nicht so gut ist, dass die Möglichkeit, wirklich Karriere zu machen, mit wenig Ressourcen, wenn ihnen vielleicht sonst andere Bildungswege verschlossen blieben. Das ist in Deutschland nicht so. In Deutschland kann eine Frau sagen, ich studiere Jura oder ich werde Pflegerin, ich studiere Medizin oder ich mache eine Ausbildung. Der Frau sind prinzipiell alle Möglichkeiten eröffnet und es ist Geld für Bildung da, während es in anderen Ländern schwierig ist, besonders für arme Familien, die nicht viele Ressourcen haben, die keine finanziellen Möglichkeiten haben. Die Kinder in die Ausbildung zu schicken, ist eine tolle Möglichkeit. Menschen können sich selbst fast kostenlos weiterbilden durch Internetdienste und durch Internetakademien. Deswegen muss man sagen, dass unser Wohlstand behindert, dass wir so eine Gleichheit oder so eine Parität erreichen.


Karina Filusch:Was würdest du sagen, sind die Gründe dafür, dass so wenig Frauen in IT-Berufen sind?


Güncem Campagna:Ja, das sind mehrere Gründe. Zum einen veraltete Rollenklischees, die es immer noch gibt. Technik ist was für Männer, während sich Frauen eher den sanfteren Themen zuwenden sollen. Es ist die unattraktive Kommunikation, die für Frauen unattraktiv ist, dass sie sich nicht angesprochen fühlen durch ein Tech-Studium.

Es ist, glaube ich, einfach auch eine mangelhafte Kommunikation. Man hat früher gedacht IT, Informatik, das sind die Nerds im Keller. Das ist etwas für Männer, die tage- und nächtelang durchprogrammieren. Das ist nicht mehr so. Es haben sich so viele Jobs entwickelt in dem Bereich IT. Den Social-Media-Manager, den gab es ja vor zehn Jahren auch nicht. Jetzt hat jedes Unternehmen einen Social-Media-Manager. So wird das mit den anderen IT-Jobs auch sein. Data Scientist, Data Engineering oder UX/UI-Design, Web Development, all diese Sachen, das sind ja Jobs, die entstehen gerade und entwickeln sich weiter und haben so viele kreative Komponenten und haben auch oft nur einen Teil Coding. Das sind jetzt nicht reine Programmierer-Jobs. Das wissen, glaube ich, viele junge Frauen nicht. Das wissen aber auch viele Lehrkräfte nicht. Das wissen auch viele Menschen im Berufsinformationszentrum und auch Eltern nicht, so dass sie die Mädchen auch gar nicht in diese Richtung motivieren können. Dann kommt dazu, dass Mädchen schon ganz früh, man sagt schon im Grundschulalter, sozialisiert werden und auch von den Klischees geleitet werden: Du wirst mal… und wenn da einmal das Interesse verloren geht mit 10 oder 11 Jahren, dann kommt dieses Interesse später nicht wieder und man die Mädchen schon ganz früh verloren. Später findet sich das dann auch in den Studien und Zahlen wieder.


Karina Filusch:Ja, ich kann das aus meiner persönlichen Erfahrung bestätigen. Obwohl meine beiden Großmütter Mathe- und Physiklehrerinnen waren, habe ich als Kind schon früh nicht besonders gut rechnen können. Statt mich zu motivieren, dass ich das ordentlich lerne, hieß es dann immer, sie hat einen humanistischen Verstand, es ist doch nicht schlimm. Sie kann dann halt kein Mathe. Im Nachhinein ärgere ich mich tierisch darüber, dass man mich nicht mehr motiviert hat, das vielleicht doch zu schaffen. Wir hatten schon über euer Mentoring-Programm gesprochen. Ich kenne das aus Ehrenämtern, dass ich es als Frau manchmal schwer hatte, den Zugang zu finden, weil dort zum Beispiel im politischen Bereich eine Gruppe Männer vor mir stand und ich dachte „Okay, eine Gruppe Männer weiß nicht, gehöre ich dazu? Wie komme ich da jetzt rein? Wie mache ich den ersten Schritt?“. Übernimmt das Mentoring-Programm auch da vielleicht eine kleine Stütze, um reinzukommen?


Güncem Campagna: Ich weiß von unseren Vereinsmitgliedern, dass sie oft als einzige Frau in reinen Männerrunden sitzen, ob das jetzt Bauingenieure sind oder andere Entwicklerrunden. Das sind gestandene Frauen, die sehr viel Fachwissen mitbringen, aber es gibt immer noch Vorbehalte. Man sagt: „Oh, eine Frau soll dann auch so viel Fachkompetenz mitbringen wie ein Mann“ und manchmal werden sie auch belächelt oder sie sind unsichtbar. So fühlen sie es. Natürlich kann ein Mentoring dazu führen, dass sich das ändert. Wir haben festgestellt, in Fachthemen können wir unseren Mitgliedern gar nicht so viel vermitteln. Sie können sich weiterbilden, aber es sind schon tolle Frauen mit sehr viel Fachwissen. Manchmal ist es so, dass sie an ihrer Sichtbarkeit arbeiten müssen, an ihrem Durchsetzungsvermögen arbeiten müssen, dass sie sagen können: „Ja, ich stehe hier nicht als Frau, sondern ich stehe hier als Expertin und das ist meine Meinung dazu.“ Besonders junge Frauen tun sich damit sehr schwer. Das ist, glaube ich, ganz normal, wenn man jung ist in einem Job und man sich gegenüber dem anderen Geschlecht behaupten sol. Ich denke schon, dass ein Mentoring ein wichtiger Baustein im Karriereweg für Frauen in der IT ist.


Karina Filusch:Was denkst du, kann die IT-Branche Frauen konkret anbieten? Warum ist sie eigentlich viel attraktiver, als wir glauben?


Güncem Campagna:Ein Grund sind die Verdienstmöglichkeiten. Hier steigt man schon mit einem ganz guten Gehalt ein und kann sich sehr gut verbessern. Der Job ist sicher. Die Digitalisierung wird nicht mehr weggehen, auch wenn das der eine oder andere denkt. Die Digitalisierung wächst rasant. Man hat wahnsinnige Möglichkeiten und kann sich in andere Bereiche auch weiterentwickeln. Die Jobs sind spannend, denn sie bleiben nicht so, wie sie jetzt sind. Die werden sich immer weiterentwickeln. Es gibt die Möglichkeit zum Homeoffice. Was braucht eine Frau noch? Ich denke, dass es da sehr viele Möglichkeiten für Frauen gibt, sich auszuleben. Die kreative Seite wird oft unter den Tisch fallen gelassen, aber ich finde die IT unheimlich kreativ. IT löst Probleme und Kreativität bedeutet nicht nur Bilder zu malen, zu töpfern oder etc. Es muss ja nicht nur künstlerisch sein. Kreativität bedeutet, neue Wege gehen zu können und Lösungen zu finden. Das ist alles in der IT möglich.


Karina Filusch:Was denkst du, ist der Grund dafür, dass sich das Bild der Frau in der Technik so gewandelt hat? Historisch ist es ja so, dass es Frauen gab, die durchaus Pionierinnen in der Informatik waren. Ich denke da als allererstes an Ada Lovelace, die die erste Programmiersprache erfunden hat und Katherine Johnson, die Mathematikerin, die für die NASA die Flugbahn für Raketen berechnet hat. Sie sind nie groß in Erscheinung getreten. Das kommt jetzt erst. Was ist passiert, dass die Rolle der Frau sich jetzt geändert hat und sie nun nicht unbedingt mehr die Pionierinnen in der Informatik sind, oder ist es nur ein falsches Bild, was ich habe? Und in Wirklichkeit sind sie doch groß im Geschäft? Man hört zu viel von Männern.


Güncem Campagna: Nein, das ist kein falsches Bild, das du da hast. Natürlich sprechen wir, wenn wir über große Namen in der Tech sprechen, leider über Männer. Ob das jetzt Bill Gates ist, Steve Jobs oder Mark Zuckerberg, das sind alles Programmierer gewesen. Es gab Pionierinnen, aber sie sind nicht angetreten, um große Dinge zu entwickeln. Hinter den ersten Rechnern steckte ganze Handarbeit hinter, das waren Mathematikerinnen. Die mussten mathematisch irgendwelche Schaltungen ausrechnen und haben die Kabel hin und her gestöpselt. Das heißt, sie haben schon im Hintergrund gearbeitet. Leider Gottes lebten und leben wir immer noch in einer patriarchalischen Gesellschaft. Es war jetzt nicht so, dass man gesagt hat „Oh toll, diese Frau hat was Tolles geleistet. Lass uns sie jetzt auch in eine Machtposition heben. Lass uns sie befördern.“ Das ist nicht passiert. Die großen Erfolge blieben aus und die Lorbeeren haben dann in der Regel die Männer schon eingeheimst, die vielleicht Abteilungsleiter waren oder so. Solange Frauen nicht das Selbstbewusstsein haben und sagen „Hey, das habe ich gemacht“, wird es auch schwierig. Ich muss auch sagen bei den 17% Frauenanteil in der IT ist auch rein statistisch gesehen die Chance geringer, dass Frauen die großen Entwicklungen voranbringen. Insofern muss sich dieser Anteil definitiv erhöhen, denn Frauen haben einfach wahnsinnig viel Potenzial. Meine Trainerinnen und Trainer in der Coding-Schule sagen, dass Frauen einfach die besseren Programmierer sind.


Karina Filusch:Du machst konkret auch beruflich schon sehr viel für Frauen. Du hast nämlich eine Coding-Schule. Vielleicht kannst du uns erst mal erklären, was Coding ist und was eine Coding-Schule macht.


Güncem Campagna:Die Coding-Schule mache ich aber nicht nur für Frauen. Die Coding-Schule ist für alle da. Coding, Programmieren ist eigentlich nichts anderes als einem Computer Befehle zu geben. Was was er machen soll. Das ist quasi die Sprache, die ein Computer versteht. Je komplexer die Probleme sind, die ein Computer lösen soll, desto komplexer ist natürlich auch der Code. Das ist Coding oder Programmieren auf Deutsch. Was macht die Coding-Schule? Die Coding-Schule, wie der Name schon sagt, bringt Menschen das Coding, also das Programmieren, bei. Bei uns lernen Menschen das Programmieren und das ist jetzt ganz unabhängig von Geschlecht und Alter. Wir haben ursprünglich mal mit Kids angefangen. Vor rund sechs Jahren haben wir Kinder-Kurse angeboten und mittlerweile sind wir gewachsen und es können bei uns Kids und auch Erwachsenen das Programmieren lernen. Man kann sich sogar bei uns umschulen. Wir sind mittlerweile auch zertifiziert und können Menschen zu Cloud-Entwicklern umschulen.


Karina Filusch:Was ist deine persönliche Erfahrung mit Frauen oder Mädchen? Du hast gesagt, auch Kinder-Kurse. Hat sich das so entwickelt in den letzten Jahren, dass mehr Mädchen dazugekommen sind? Wie sind deine eigenen Erfahrungen oder auch der Kontakt mit den Eltern?


Güncem Campagna:Wenn man die Quote nicht proaktiv fördert und pusht und die Mädchen nicht anspricht oder ganz explizit für Mädchen und Frauen wirbt, steigt die Quote nicht. Deshalb führen wir reine Mädchen Kurse durch, die wir auch als Girls-Coding-Club bewerben. Das hilft schon. Da kriegen wir schon einen Kurs voll mit 10-12 Mädchen. Aber die Mädchen-Quote in den gemischten Kursen ist sehr niedrig. Dann trauen sich die Mädchen doch nicht. Wir kommen selten über 20% in Kursen.


Karina Filusch:Cool, dass du dann solche Lösungen findest und nur Kurse für Mädchen anbietet und die auch genauso bewirbst. Das klingt ja mega cool. Ich hatte auch mal angefangen mit Python zu programmieren, aber ich bin grandios gescheitert. Ich fand das zu kompliziert. Ich glaube, ich hätte dich gebracht und deine Schule, damit mir das jemand mal ganz geduldig entspannt Schritt für Schritt erklärt. Ich werde mir auf jeden Fall euer Programm angucken und komme vielleicht dazu, ein bisschen zu programmieren. Das ist auf jeden Fall nicht schlecht. Ich würde dir noch eine Frage stellen: Was ist für dich Datensouveränität an sich?


Güncem Campagna:Datensouveränität, das ist echt ein Thema. Ich glaube, da braucht es schon gewisse Bildung und auch einen gewissen Intellekt, um das zu verstehen. Deshalb denke ich, dass besonders viele Kids da überhaupt gar keine Verträge mit haben. Datensouveränität bedeutet, dass man weiß, welche Daten man wo hinterlässt und dass man auch weiß, was mit diesen Daten passiert. Wo werden sie gespeichert? Hat eine dritte Partei Zugriff auf diese Daten? Wie werden die verwertet? In welche Auswertungen laufen sie rein? Das sind so Fragen, die stellt man sich glaube ich nicht, ob man jetzt etwas einkauft oder bei einer Behörde Daten hinterlässt. Diese Gedanken macht man sich nicht. Man gibt die Daten ein, abschicken und fertig. Dass dann dahinter aber noch ein Riesenapparat ist, wo diese Daten reinlaufen, wo diese Daten ausgewertet werden, anonym oder nicht anonym, darüber macht man sich keine Gedanken. Die Souveränität bedeutet, dass man das zum einen weiß und dass man das auch steuern kann. Wohin gehen meine Daten? Was möchte ich, was mit dem passiert oder nicht passiert? Ich kann nur alle Menschen dazu aufrufen, ob Frauen oder Männer, dass sie sich mit dem Thema digitale Souveränität und Datensouveränität beschäftigen. Das ist ein Thema, das wichtig ist und immer wichtiger werden wird. Es wird kaum einen Job geben, der nicht eine digitale Komponente hat. Man sollte jetzt nicht die Augen verschließen und sagen, das geht vorbei oder man ist nicht betroffen. Jeder Job wird von digitalen Themen betroffen sein. Deshalb würde ich jedem Menschen nahelegen, sich mit diesem Thema zu befassen und sich weiterzubilden. Es gibt tolle kostenlose Angebote, auch im Internet. Wichtig ist einfach, dass man einmal diese Hürde überwindet und sagt „Nein, ich brauche keine Angst davor zu haben, das ist gar nicht so schwierig“ und dann funktioniert das auch.


Karina Filusch:Vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast und uns einen Einblick gegeben hast. Eine Programmiergeschichte habe ich ja gerade im Podcast verraten und ich hätte mir damals echt eine Güncem gewünscht, die mich dabei unterstützt hätte. Zum Glück hat sie diese Coding-Schule. In meiner Schulzeit hatte ich auch Informatik, da hatte ich Güncem leider noch nicht gekannt. Aber ich hatte einen sehr guten Freund, der mir im Informatikunterricht immer geholfen hat und manchmal hat er sich dann auf meinen Platz gesetzt, um mich ein bisschen zu unterstützen, damit mein Programm am Ende der Stunde dann auch fertig wurde. Ich muss sagen, mir hat Programmieren immer sehr viel Spaß gemacht, weil man am Ende die Effekte immer gut sehen konnte. Es hat einen super gefreut, wenn man dann so sein eigenes kleines Spiel oder seine eigene kleine Webseite selbst programmiert hat. Daher kann ich das echt nur empfehlen.


Aileen Weibeler:Ich finde es auch sehr cool, dass es extra Frauenkurse gibt, also sowohl für Anfänger als auch als Umschulung. Da ist man ja total flexibel und kann sich gerade zu Corona-Zeiten aus dem Homeoffice neue Dinge aneignen. Und ich meine, es gibt ja so viele Kurse, zum Beispiel an Volkshochschulen, wo man eine neue Sprache lernen kann, dann könnte man für ein paar Wochen mit Freunden eine neue Programmiersprache lernen.


Karina Filusch:Wir hoffen, dass euch diese Folge wieder sehr viel Spaß gemacht hat. Hört doch beim nächsten Mal wieder rein, wenn wir wieder über Dasou sprechen. Habt ihr Fragen zu Dasou, dann schickt uns einfach eine E-Mail an hallo@dasou.law oder schickt uns einfach eine Nachricht auf Twitter oder Instagram und lasst uns bitte auch ein Abo da. Bis bald.

Aileen Weibeler:Bis bald.

Karina Filusch:DaSou ist eine Produktion der Kanzlei Filusch. Mehr Infos findet ihr auf unserer Webseite DaSou. Die Redaktion besteht aus Anja Lindenau, Aileen Weibeler und Karina Filusch. Der Jingle wurde komponiert von Mauli. Die Idee zu Dasou hatte Axel Jürs. Das Cover hat Hélène Baum erstellt. Beraten wurden wir von Susan Stone. Editiert wurde der Podcast von Christoph Hinners.

Kontakt

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Karina Izabela Filusch, LL.M.

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