Folge IIOOO*: Überwachung am Arbeitsplatz II mit Barbara Wimmer

*das ist „Binärisch“ und bedeutet:27

Dürfen Essenslieferanten bei ihren Auslieferungen auf Schritt und Tritt über GPS überwacht werden? Dürfen Arbeitgeber die Arbeitsleistungen der Mitarbeiter durch Programme aufnehmen und auswerten lassen? Wie viel Mitarbeiter*innen-Kontrolle ist überhaupt erlaubt und was passiert mit Daten, die Rückschlüsse auf unser Arbeitsverhalten ermöglichen? Mit Barbara Wimmer, der Autorin, Netzjournalistin und Expertin rund ums Thema Technik und Datenschutz sprechen wir darüber, was Arbeitgeber dürfen, ab wann Grenzen überschritten werden und inwieweit Überwachung am Arbeitsplatz von der DSGVO gedeckt ist. Diese und weitere spannende Fragen erwarten euch in unserem Teil II zur Überwachung am Arbeitsplatz. 

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Show-Notes

Barbara Wimmer auf Twitter: https://twitter.com/shroombab

Barbara Wimmer beim Gmeiner-Verlag: https://www.gmeiner-verlag.de/autoren/autor/1192-barbara-wimmer.html

Artikel zur Überwachung am Arbeitsplatz von Barbara Wimmer: 

futurezone.at/netzpolitik/mitarbeiter-kontrolle-ueberwachung-arbeitsplatz-studie-wolfie-christl/401723049

futurezone.at/netzpolitik/arbeitsplatz-ueberwachung-gesetz-regelungen-interview/401735415

Transkript

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Karina Filusch: Hallo und herzlich willkommen zum DaSou Podcast. Mein Name ist Karina Filusch. Ich bin Datenschutzanwältin und externe Datenschutzbeauftragte. In jeder Folge spreche ich mit einer Expertin oder einem Experten über das Thema Datensouveränität abgekürzt DaSou. Heute geht es mit Teil II unserer Miniserie „Überwachung am Arbeitsplatz“ weiter und ich rede mit der Tech Journalistin Barbara Wimmer, die ihr schon kennt, denn wir hatten schon eine Folge mit ihr aufgenommen, und zwar zum Thema Perioden Apps. Barbara ist eine absolute Expertin, was Tech Themen angeht. Deswegen beleuchten wir das Thema heute mehr aus technischer Sicht. Wir berufen uns auch auf eine Studie von Wolfi Christel, die Barbara zu diesem Thema gefunden hat, die einen umfangreichen Einblick in das Thema gibt. Und zwar gucken wir uns die einzelnen Branchen an, wo wie getrackt wird und wie intensiv getrackt wird, was das für Konsequenzen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. Wir sprechen über aktuelle Fälle und es geht auch darum, was eigentlich erlaubt ist und was nicht. Liebe Barbara, schön, dass du wieder dabei bist. Sprechen wir doch erst mal über dein neues Projekt. Da geht es doch auch um Überwachung, oder?


Barbara Wimmer: Ja, mein Projekt hat was damit zu tun. Aber an und für sich nur am Rande. Und zwar habe ich wieder einen Krimi geschrieben. Also in diesem Fall kein Sachbuch, sondern wirklich eine fiktionale Geschichte. Diese heißt „Jagd im Wiener Netz“ und wird am 10.8. im Gmeiner Verlag erscheinen. Die Hauptfigur ist Stefanie Laudon. Das ist eine investigative Journalistin, die sehr neugierig ist, und die entdeckt auch in diesem Fall wieder etwas ganz Ungewöhnliches, ohne zu viel zu verraten. Aber es geht auch ein bisschen um Korruption, was in Österreich immer ein heißes Thema ist. Zudem geht es auch darum, dass sie ganz still und heimlich von ihrem Betrieb aus überwacht wird und sozusagen Scores zugeteilt bekommt – also wird ihre Arbeitsleistung von einem Computersystem im Hintergrund überwacht und eine Kündigung steht an! Ich habe jetzt ein bisschen gespoilert, weil im Klappentext steht das alles nicht. Das heißt, wenn euch dieses Thema interessiert, kommt das jedenfalls auch als Side Plot vor.


Karina Filusch: Sehr gut. Das klingt wirklich spannend und ich möchte auch auf deine anderen Bücher hinweisen, die exzellent sind. Und zwar hast du ein Buch geschrieben, das heißt: „Hilfe. Ich habe meine Privatsphäre aufgegeben“, in dem du über verschiedene Themen aus unserem Alltag sprichst, die problematisch sind, zum Beispiel Smart Speaker oder Perioden Apps usw. Über Perioden Apps hatten wir schon eine Folge gemacht, in die ihr auch sehr gerne reinhören könnt. Das Buch enthält viele, viele, viele andere spannende Themen aus unserem Alltag. Man ist beim Lesen dieses Buches überrascht, wo denn überall in unsere Privatsphäre eingegriffen wird. Es ist sehr sympathisch geschrieben mit schön vielen Beispielen. Dann hast du noch ein schönes Buch, auch ein Krimi, geschrieben: „Tödlicher Crash“. In dem Krimi geht es um autonomes Fahren.


Barbara Wimmer: Genau, das war Teil 1 mit Stefanie Laudon, der investigativen Journalistin. Da ging es um selbstfahrende Autos. Ich nehme immer neue Technologien und wie sie die Gesellschaft verändern. Diese Themen nehme ich her, um mir dann Geschichten rundherum auszudenken. Das kann ich in meinem Journalisten-Alltag nicht. Da basiert alles auf harten Fakten (das nur so am Rande erwähnt). Ich denke einfach weiter: Was wäre, wenn … und wie wirkt sich das eigentlich aus? Die gesellschaftlichen Aspekte behandle ich in meinen Romanen und sie sind sehr am Puls der Zeit, in der „nahen Zukunft“, angesiedelt.


Karina Filusch:Wir werden auf jeden Fall die beiden Bücher, die ich gerade erwähnt habe, verlinken, und sobald das nächste da ist, werden wir das natürlich auch verlinken (im August). Holt euch die Bücher unbedingt. Es macht richtig Spaß, Barbaras Bücher zu lesen und du sagtest es gerade, du bist nämlich Journalistin. In der Tat, du schreibst immer sehr hart recherchierte, tolle Artikel im Bereich Technologie und Datenschutz, zum Beispiel bei Futurezone. Dort werden die veröffentlicht und da hattest du auch zwei spannende Artikel zum Thema Überwachung am Arbeitsplatz geschrieben. Die werde ich auch in den Shownotes verlinken. Vielleicht können wir gleich ins Thema einsteigen und darüber sprechen, wie weit Überwachung am Arbeitsplatz schon geht? Also welche Arten von Überwachung am Arbeitsplatz gibt es?


Barbara Wimmer: Überwachung am Arbeitsplatz hat es tatsächlich historisch gesehen immer schon gegeben. Aber es verändert sich einfach und es wird immer mehr, also wie überall in der Gesellschaft nicht weniger. Möglich ist damit eine umfassende Leistungs- und Verwaltungskontrolle, sodass die Arbeit dadurch auch beschleunigt und verdichtet wird. Das kennen wir wahrscheinlich alle oder sehr viele von uns, dass wir dieses Gefühl haben: Wenn ein Schritt abgeschlossen ist, steht gleich der nächste an, wo früher einfach noch mal eine Pause dazwischen war. Bei den Monteuren und Lieferdiensten wird zum Beispiel der Aufenthaltsort genau getrackt, das Positions Tracking. Es kann zurückverfolgt werden, wo sich das Auto befindet. Bei Monteuren kann sogar über eine App überwacht werden, welchen Schritt sie gerade ausführen. Weil sie das immer eingeben müssen, weiß der Chef dann eigentlich ganz genau wie lange er noch beschäftigt ist, um dann schon den nächsten Termin genau so einzutakten, dass es dazwischen keine Pause mehr gibt – abgesehen von den gesetzlich vorgeschriebenen Pausen. Fahrradbot*innen und Essenslieferdienste werden natürlich auch besonders überwacht, genauso mit diesem Positions Tracking. Man sieht als Kunde und Kundin schon oft, wo sich das Auto oder der Fahrrad Bote gerade befindet und wann etwas zu erwarten ist. Das kann man teilweise schon in Echtzeit mitverfolgen, was natürlich auch zu einem enormen Druck für diese Fahrer*innen führt. Abgesehen davon gibt es auch Überwachung im Büro. Das erfolgt heutzutage des Öfteren mit Work Place Analytics von Microsoft. Da kann zum Beispiel über Emails, Chats, Videokonferenzen, Kalender und Einträge kontrolliert werden, wann Daten verschickt. Besonders verbreitet sind aber auch solche Tools, die wirklich bemerken, wenn der Bildschirmschoner angeht und der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nicht mehr vom Computer sitzt, weil er/sie gerade auf der Toilette, in der Küche oder woanders ist. Das heißt nicht automatisch, dass dann gleich irgendwelche Schritte folgen, aber es wird protokolliert.


Karina Filusch: Das ist total verrückt. Ich wusste bevor ich deinen Artikel gelesen habe gar nicht, dass Microsoft so ein Tool anbietet. Das hat mich schon ganz schön umgehauen. Außerdem gibt es auch noch Kontrolle per Video, Mikrofon und auch Keylogger usw. Ich glaube, dem wie Überwachung am Arbeitsplatz stattfinden könnte sind mittlerweile gar keine Grenzen mehr gesetzt, oder?


Barbara Wimmer: Genau, aus technischer Sicht gibt es tatsächlich kaum mehr Grenzen. Es ist alles möglich und oft wird auch Software eingesetzt, die eigentlich zu einem anderen Zweck verwendet werden sollte. Und zwar um festzustellen, ob sich innerhalb eines Netzwerkes oder am Computer eines Mitarbeiters Malware eingeschlichen hat oder andere Aktivitäten, die nicht stattfinden sollten. Unter dem Deckmantel von Cybersecurity werden dann „unabsichtlich“ die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwacht.


Karina Filusch: Kann man sagen, dass sich die Überwachung am Arbeitsplatz durch die Digitalisierung verschlimmert hat? Oder wie hat die sich verändert?


Barbara Wimmer: Also alle diese digitalen Werkzeuge, von denen wir gerade gesprochen haben, tragen natürlich zu noch mehr Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz bei. Das heißt, diese nimmt im Vergleich zu früher extrem zu. Gerade diese Systeme für die Abwehr von Cyberangriffen sind zunehmend mit diesen Zugriffsberechtigungen und anderen Firmendaten verknüpft und somit ist dann irgendwie wirklich viel mehr Überwachung möglich als es früher war.


Karina Filusch: Wie sieht das dann aus? Also diese Software soll gucken, ob Malware auf dem Rechner ist und wie kann sie dann auch noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwachen?


Barbara Wimmer: Indem eben alles wirklich protokolliert wird. Jeder Step. Da gibt es Software von mehreren Firmen (die ich jetzt nicht nenne), die das können, tun und anbieten. Die Software wird auch in Österreich und in Deutschland von Unternehmen eingesetzt. Das ist bekannt geworden. Die können sogar schauen, wenn man einen Screenshot am Rechner macht, was da eigentlich drauf ist. Warum wird das zum Beispiel gemacht? Da geht es dann darum, dass es mit dieser Software auch möglich ist, herauszufinden, ob jemand ein Spion oder ein Whistleblower ist. Unbequeme Personen können damit wirklich detailliert schon „unter Beobachtung“ gestellt werden, um dann im Nachhinein beweisen zu können, dass diese Person Informationen geleakt hat.


Karina Filusch: Barbara, deine Artikel auf Futurezone sind immer extrem gut recherchiert. Viele harte Fakten. Wie machst du das? Also wie kommst du an deine ganzen Informationen?


Barbara Wimmer:  Wie im Journalismus üblich, spricht man mit interessanten Persönlichkeiten und Personen über seine Themen. Im Falle der digitalen Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz hatte ich einen besonders tollen Gesprächspartner. Also nicht nur einen – aber dieser Gesprächspartner ist was ganz Besonderes. Und zwar heißt er Wolfie Christl und ist ein Wiener Datenschutz Experte und Aktivist. Er hat eine umfangreiche Studie durchgeführt, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Da geht es um die Auswertung betrieblicher Datenerfassung und algorithmischen Managements. Die Studie erschien im September 2021 und wurde auch von der Arbeiterkammer in Österreich gefördert. Da hat Wolfie Christl eigentlich alle Formen der Überwachung zusammengefasst. Alles kommt darin vor und es war sehr spannend. Die Studie hat über 100 Seiten. Ich habe sie von der ersten bis zur letzten Seite gelesen und dann noch mit ihm, mit Arbeitsrechtlern und dann auch mit Datenschützern darüber gesprochen. Ich habe auch mit der Arbeiterkammer darüber gesprochen. Es war eine sehr umfangreiche, intensive Recherche mit sehr vielen Background Informationen.


Karina Filusch: Du verlinkst in deinen Artikeln auch all diese Quellen, auch die Studie von Wolfie Christl. Da kann man draufklicken und sich noch weiter informieren. Welche Branchen trifft es denn besonders hart bei der Überwachung am Arbeitsplatz?


Barbara Wimmer: An und für sich wirklich durchgängig alle. Wir haben es schon kurz angeschnitten: Die Liefer- und Paketdienste sind natürlich extrem betroffen. Dazu gibt es unzählige Beispiele. Um ein Beispiel aus Österreich zu nennen (wahrscheinlich ist das in Deutschland nicht viel anders): In Österreich werden die Fahrer*innen bei Amazon mit einer App überwacht. Das Fahrverhalten von den Paketbot*innen wird aufgezeichnet, und zwar offiziell, um einen Safe Driving Score zu ermitteln. Dazu gab es eine umfassende Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (also der Zusteller*innen) in Österreich. Diese haben schon im Gespräch gesagt, dass sie sich dadurch enorm unter Druck gesetzt fühlen. Nur sehr Wenige finden die App wirklich hilfreich und sagen, dass sie so selber sehen können, wie ihr Fahrverhalten beeinflusst ist. Es gibt aber schon unzählige Fälle, in denen Zusteller*innen von den Lieferdiensten getrackt worden sind und dann, wenn sie zu langsam fahren, keine Aufträge mehr bekommen. Man stelle sich dies vor: Jemand bestellt Essen und das wird auch zugestellt, aber die Firma beobachtet ganz genau wie viele km/h dieser Radfahrer oder diese Radfahrerin gerade fährt und, weil er/sie zu langsam war bekommt er/sie dann keinen Folgeauftrag mehr. Das ist insofern total dramatisch, weil die Zustellerinnen und Zusteller nicht angestellt sind und die meisten diese Aufträge wirklich in halb prekären Verhältnissen annehmen und sozusagen ihr Job davon abhängt.


Karina Filusch: Ich finde das natürlich als Nutzerin total praktisch, wenn ich in meiner App sehe, wie lange mein Paket noch zu mir braucht und ich sehe, wie viele Personen noch vor mir an der Reihe sind. Das finde ich als Nutzerin total praktisch, aber wenn man sich mal in die andere Seite versetzt, dann ist das tatsächlich dramatisch, so wie du es beschreibst. Also auf der einen Seite Nutzen für die einen, auf der anderen Seite Überwachung für die anderen. In Deutschland gab es hierzu auch schon eine Entscheidung von einer Datenschutzbehörde. Und zwar gab es einen Lieferdienst, der so weit überwacht wurde, dass sogar die Pausen, also ein Anhalten des Autos, als rote Punkte auf der Karte markiert wurden und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich darauf angesprochen wurden. Warum habt ihr dort jetzt 60 Sekunden gehalten und seid dort nicht einfach weitergefahren? Dann haben die auch Ärger bekommen und da hat die Aufsichtsbehörde auch festgestellt, dass das so weit nicht gehen darf. Bewegungsprofile dürfen auf keinen Fall erstellt werden. Jetzt hatten wir vor allem über diese beiden Branchen gesprochen. Wie sieht es denn für Leute aus, die eher im Büro sitzen? Also jetzt vor allem durch Corona im Homeoffice.


Barbara Wimmer: Dazu gibt es eine Umfrage aus Deutschland von der Unternehmen-Software-Vergleichsplattform GetApp aus dem Mai 2021 und die hat ergeben, dass jeder Fünfte im Homeoffice überwacht wird. 700 Menschen sind befragt worden und mehr als die Hälfte dieser Befragten denkt, dass sich die Mitarbeiterüberwachung negativ auf die Stimmung und Arbeitsmoral auswirkt. Beim Homeoffice geht es natürlich sehr viel um Vertrauen und das ist etwas, was sehr viele Arbeitgeber*innen noch ein bisschen lernen müssten, um es so auszudrücken. Ich kenne absolut niemanden, der in seinem Homeoffice einfach mal eine halbe Stunde spazieren geht oder nur Kaffee trinkt oder gar nichts tut. Alle, die ich kenne, arbeiten im Homeoffice genauso viel, wenn nicht sogar noch mehr. Aber um jetzt zur Überwachung zurückzukommen: Mehr als die Hälfte denkt, dass es negative Auswirkungen hat. Das Problem ist natürlich aber auch, dass die Arbeitnehmer nichts dagegen tun können. Sie stört das fehlende Vertrauen. Es kann allerdings niemand herkommen und sagen: „Ein bisschen mehr Vertrauen in mich wäre ganz gut, lieber Herr Chef oder liebe Frau Chefin.“


Karina Filusch: Müsste ich als Arbeitnehmerin darüber informiert werden, wenn meine Chefin/mein Chef so eine technische Neuerung zur Überwachung einführt? Oder müsste ich sogar einwilligen?


Barbara Wimmer: Ja, auf jeden Fall müsste man darüber informiert werden. In Deutschland sowie in Österreich ist laut Arbeitsrecht die Kenntnisnahme der Beschäftigten für die Zulässigkeit der Überwachung entscheidend. Das heißt, Mitarbeitende müssen über diese Maßnahmen informiert werden und sie müssen ihnen außerdem ausdrücklich zustimmen. Wenn es sich um ein größeres Unternehmen handelt, muss man nicht die Zustimmung eines jeden Einzelnen einholen, sondern es würde auch eine Betriebsvereinbarung, die zusammen mit dem Betriebsrat ausverhandelt wird, reichen. In der eben genannten Studie zum Homeoffice hatten zwei Drittel der Befragten angegeben, dass sie dieser Überwachung nicht zustimmen würden, wenn sie die Wahl hätten. Da sind wir jetzt wieder bei einer ganz entscheidenden Sache. Natürlich ist eine ausdrückliche Zustimmung erforderlich – aber wer würde diese nicht erteilen, wenn er von diesem Job abhängig ist? Man will nicht seinen Job verlieren, nur weil man dieser Überwachungsmaßnahme jetzt nicht zustimmt. Es ist nicht wirklich so freiwillig, wie man glaubt.


Karina Filusch: Genau und wir wissen, dass Datenschutz Einwilligungen immer freiwillig sein müssen. Das führt im Arbeitsverhältnis, so wie du gesagt hast, in den seltensten Fällen zu einer wirklichen Freiwilligkeit. Würde es zu einem Gerichtsprozess kommen, würde diese Einwilligung in sehr, sehr vielen Fällen dann auch als nichtig oder als unzulässig angesehen werden. Ich würde auch ja sagen, wenn ich meinen Job behalten wollte. Was haben denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch so zu befürchten, außer, dass sie vielleicht zu einer Einwilligung gezwungen werden und vielleicht sogar gekündigt werden, wenn sie nicht einwilligen?


Barbara Wimmer: Theoretisch kann es auch positive Konsequenzen geben. Eine Auszahlung von Prämien und Lohnerhöhungen wären möglich, wenn man genau sieht, wie fleißig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. In der Theorie. Dazu habe ich nämlich ein gutes Beispiel aus Deutschland. Und zwar setzte Zalando ein System namens Zonar bei rund 5000 Beschäftigten ein, die sich dann alle gegenseitig bewerten sollten. Auf dieser Basis hätten sie dann in Low, Good und Top Performer eingeteilt werden sollen und dadurch würden dann Lohnerhöhungen und Prämien ausgezahlt werden. Ich rede in diesem Fall im Konjunktiv, da Zalando massiv gegen diese Medienberichterstattung, die es da gegeben hat, vorgegangen ist und selbst von sich behauptet, dass es dieses Tool bei Zalando zum Teil nie gegeben hat und weder Rankings, Course noch Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen. Deswegen möchte ich das Folgende nicht auf Zalando beziehen, sondern eher ein bisschen weiterdenken, was denn dann eigentlich wirklich passiert, wenn sich Mitarbeiter*innen gegenseitig bewerten und einteilen sollen. Dann hat man nämlich meistens zwei Probleme: Einerseits erfolgt dies dann häufig nach Sympathie oder Antipathie, das heißt einen guten Freund wird man eher positiv bewerten und den, den man nicht mag schlecht, obwohl der eigentlich viel bessere Arbeit macht. Das zweite ist, dass Unternehmen die Mitarbeiter*innen dann auch dazu auffordern können, gezielt vor allem die negativen Sachen zu bewerten bzw. diese Aufforderungen sind meistens gar nicht notwendig. Wir kennen das ja von uns allen. Wenn wir irgendwas bewerten sollen, dann bewerten wir eigentlich meistens nur das Negative. Alles, was uns nicht gefällt, bewerten wir sehr gerne. Aber so richtig eine positive Bewertung abzugeben, liegt uns meistens nicht so bzw. wenn es solche Systeme gibt, tue ich persönlich das meistens dann und gerade deshalb, dass ich wirklich fünf Punkte bei gewissen Sachen vergebe, einfach aus dem Grund, dass ich weiß, dass das für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig ist. Solche Bewertungssysteme kommen ja auch in Kundenprozessen zum Einsatz, zum Beispiel bei Servicemitarbeitern, Call Centern, aber auch bei Lieferdiensten. Wenn davon dann aber Lohnerhöhungen abhängig sind, können solche Tools aber auch gleichzeitig zur Lohn Repression eingesetzt werden. Weil diese Bewertungen eben, wenn jemand viele schlechte Bewertungen sammelt und zu wenige Menschen gute Bewertungen vergeben, ein Problem sind. Es wird kaum herausragende Leistungsbewertungen geben und dadurch auch kaum Lohnerhöhungen und kaum Prämien. Deswegen ist das mit der Überwachung und den Prämien und den positiven Effekten meiner Meinung nach wirklich sehr schwierig.


Karina Filusch: Ich habe zwei Freundinnen, die auch mal bei diesem Arbeitgeber gearbeitet haben und auch an diesen Befragungen teilnehmen mussten. Sie empfanden das als Mobbing. Sie fanden das psychisch sehr belastend und arbeiten auch beide dort nicht mehr, weil es einfach zu einer ganz schlechten Stimmung geführt hat. Genau das, was du aus der Umfrage gerade wiedergegeben hast, kenne ich aus diesen persönlichen Schilderungen, auch dass es für Menschen wirklich sehr dramatisch sein kann, in so einem Umfeld zu arbeiten. Wie weit darf denn so eine Überwachung nach der DSGVO eigentlich gehen? Was kann man da als Grenze nennen?


Barbara Wimmer: Ja, es gibt natürlich personenbezogene Daten und die sind in der DSGVO besonders geschützt. Das hat dann schon in gewissen Bereichen Auswirkungen. Aber es ist jetzt so, dass, wie wir vorhin schon erwähnt haben, das Arbeitsrecht eine sehr breite Möglichkeit der Kontrolle bietet. Es ist immer eine Frage der Kontrollen, Intensität und wie intensiv in diese Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird und wie das mit den personenbezogenen Daten wirklich ist. Vor allem geht es genau um diese Frage, die wir vorhin schon angesprochen haben: Wer geht denn wirklich gegen seinen Chef oder gegen seine Chefin vor, wenn man überwacht wird und etwas nicht von der DSGVO gedeckt ist?


Karina Filusch: Was würdest du sagen? Die Überwachung am Arbeitsplatz in Deutschland und in Österreich? Wie steht es da um uns im Vergleich?


Barbara Wimmer: Ich glaube, dass das wirklich ein globales Problem ist. Aber natürlich haben wir in Deutschland und in Österreich eben so etwas wie Arbeitnehmerrechte und es gibt ein Arbeitsrecht. Die Arbeitsrechtler, die ich gesprochen habe sind größtenteils ein bisschen von den neuen technologischen Entwicklungen und dieser Digitalisierung „überfordert“, denn daran hängt ganz viel. Wenn neue technologische Systeme eingeführt werden, die Arbeitnehmerüberwachung ermöglichen, dann muss sich das die Juristenabteilung wegen dem Datenschutz und wegen der DSGVO anschauen. Gleichzeitig wird das ganze System aber von der Technik aufgesetzt. Im Betriebsrat sitzen meistens weder Jurist*innen noch Techniker*innen. Es müsste dann eben eine Person geben, die das alles in die Sprache der Arbeitsrechtler*innen übersetzt. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe ist. Damit kämpfen viele Arbeitsrechtler, mit denen ich gesprochen habe. Es ist schwer, dass dann wirklich Vereinbarungen getroffen werden, die eben nicht überschießend sind. Das ist eine sehr große Herausforderung und die wird aber sehr sicher gemeistert werden können. Den Arbeitsrechtlern ist das sehr wohl bewusst, dass das ein wichtiges Thema für die nahe Zukunft ist.


Karina Filusch: Vielleicht können wir noch ein bisschen auf das Homeoffice eingehen. Oft wurde die Arbeit überstürzt ins Homeoffice verlegt, zumindest die Arbeitsbereiche, die man nach Hause verlegen konnte. Eine Fabrikmitarbeiterin konnte man nicht nach Hause schicken, aber bei Bürotätigkeiten ging das weitestgehend schon. Da wurden dann teilweise auch keine Firmenlaptops zur Verfügung gestellt, sondern man musste seinen Privat-Laptop nehmen. Solche Geschichten kenne ich aus meinem Freundeskreis. Kann das dann passieren, dass meine Chefin bei mir zuhause an der Tür klopft und sagt: „Hallo, ich möchte mal zu dir in die Wohnung reinkommen und mal schauen, wie es da um die Privatsphäre steht. Kann ich in deinen privaten Laptop gucken, ob da auch alles schön Datenschutz konform ist?“ und mich so überwachen?


Barbara Wimmer: Nein. Also eigentlich nicht. Zumindest kann sie dich nicht zu Hause einfach so schnell besuchen. Das ist auf jeden Fall nicht möglich. Auch mit einem Privat-Laptop nicht. Das mit den Privat-Laptops und dem Datenschutz ist dann eher ein Security Problem. Natürlich sind auf diesem Privat-Laptop heikle Daten abgespeichert, die vielleicht anders geschützt werden, weil man als Privatperson nicht über VPNs agiert oder das Betriebssystem nicht up-to-date ist und solche Sachen. Also das ist in der Tat ein Security Problem. Allerdings kommt es sehr selten vor, dass von der Arbeitnehmerseite überhaupt keine Lösungen angeboten werden. In meiner Firma ist alles abgesichert, der Remote Zugriff über VPN Tunnel und es gibt mehrfach doppelte Authentifizierung. Ich persönlich kann meine E-Mails von zu Hause aus gar nicht lesen, ohne dass ich mich vorher extern mittels einer App oder mittels einer zwei Faktor Authentifizierung und SMS, etc. authentifiziert habe. Am Anfang der Pandemie war das alles nicht der Fall, weil man von der Pandemie überrascht worden war. In diesen zwei vergangenen Jahren haben sehr viele Unternehmen sehr viel gemacht, um die Daten besser zu schützen. Das ist jetzt eher nicht das Problem der Überwachung, sondern wirklich der Security. Eine immer wieder aufkommende Frage lautet: Darf man als Arbeitgeber eigentlich die E-Mails mitlesen? Schließlich muss man wissen, was der Arbeitnehmer da so schreibt. Das ist nur dann zulässig, wenn es sich als verhältnismäßig darstellt. Also auf gut Deutsch: Man kann nicht einfach die Postfächer aller Mitarbeiter permanent überwachen und alles mitlesen. Das ist auf jeden Fall verboten. Die Emails, die in einem privaten Ordner sind, darf man sowieso nicht lesen. Das setzt allerdings voraus, dass es eine Vereinbarung gibt, die private Nutzung erlaubt oder nicht erlaubt. Und ja, die gibt es aber in den meisten Fällen so auch nicht schriftlich.


Karina Filusch: Was würdest du denn sagen? Gibt es Unterschiede in der Häufigkeit und in der Schwere bei der Überwachung am Arbeitsplatz?


Barbara Wimmer: Ja, es gibt die Branchen und Dienste, die besonders stark überwacht werden, also wo wirklich jeder Schritt „Step by step“ protokolliert wird. Über Lager Arbeiter*innen haben wir noch gar nicht gesprochen. Bei ihnen kann alles auch hervorragend protokolliert werden. Es müssen aber gar nicht nur diese besonders invasiven Überwachungstechniken (was Wolfi Christl in seiner Studie herausgefunden hat) dazu führen, dass man sich als Person total überwacht fühlt und unter Bedrängnis gerät und psychischen Druck erleidet, sondern es reichen oft weniger invasive Formen der Überwachung. Wie du selbst in deinem Beispiel mit den Freundinnen gesagt hast:  Die, die bei dieser Firma gearbeitet haben, fanden das nicht lustig andere bewerten zu müssen und ständig an Befragungen teilzunehmen. Das kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch stärker unter Druck setzen, als wenn wirklich jeder Schritt überwacht wird. Insofern kann man gar nicht sagen, dass jetzt die eine oder die andere Form besonders schlecht ist, sondern es ist generell wirklich eine Zunahme an Kontrolle festzustellen, die einem das Leben Arbeitnehmer*in schwerer macht.


Karina Filusch: Jetzt wäre ich eigentlich zu meiner letzten Frage gekommen: Was ist DaSou für dich? Aber Barbara war schon einmal bei uns. Wir hatten damals über Perioden Apps gesprochen, da könnt ihr euch die spannende Antwort von Barbara auf jeden Fall gerne noch mal anhören. Ansonsten bedanke ich mich sehr für deine Zeit. Liebe Barbara, vielen, vielen lieben Dank, dass du mit uns über dieses wichtige Thema gesprochen hast.


Barbara Wimmer: Gerne, sehr gerne. Vielen Dank für die Einladung.


Karina Filusch: Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit dieser Folge, denn diese Folge mit Barbara ist der krönende Abschluss der zweiten Staffel von DaSou. DaSou geht nämlich in eine kleine Babypause und ich hoffe, nein, ich zähle darauf, dass wir uns dann hoffentlich nächstes Jahr wieder hören. So lange könnt ihr sehr gerne in die alten Folgen reinhören. Vielleicht hattet ihr noch nicht die Möglichkeit, alle zu hören oder man kann sie auch nicht oft genug hören, also hört gerne noch mal rein. Ansonsten möchte ich mich herzlich bei euch bedanken, dass ihr zwei Staffeln zugehört habt und es wäre toll, wenn wir uns dann bald wieder hören. Ich freue mich total, wenn ihr uns ein Abo dalasst. Jetzt erst recht. Dann bekommt ihr nämlich wieder mit, wenn DaSou weitergeht. Ihr findet uns unter anderem auf Twitter und Instagram und dort unter @dasou_law. Hinterlasst uns also sehr gerne eine Nachricht. Bis bald. DaSou ist eine Produktion der Kanzlei Filusch. Mehr Infos dazu findet ihr auf unserer Webseite. Die Redaktion besteht aus Anja Lindenau, Aileen Weibeler und Karina Filusch. Der Jingle wurde komponiert von Mauli. Die Idee zu DaSou hatte Axel Jürs. Das Cover hat Hélène Baum erstellt. Beraten wurden wir von Susan Stone. Editiert wurde der Podcast von Christoph Hinners.

Kontakt

Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte (TÜV Nord zertifiziert)
Karina Izabela Filusch, LL.M.

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Mobil: 0170 23 85 788

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