von Jakob Schüssler
Wer sich im Internet des Öfteren auf Seiten verdingt, auf denen Produkte oder Leistungen angeboten werden, mag schnell den Eindruck gewinnen, dass der digitale Raum der analogen Lebenswirklichkeit in vielerlei Hinsicht vorzuziehen sei.
Das sanfte Klicken der Maus als Ersatz staulastiger Anfahrtswege zu Dienstleistern, ein lachendes Emoji in der Facebookgruppe als sozial akzeptierter Weg, um der sich sonst nach dem vierten Glas Grauburgunder anbahnenden Diskussion über politisch höchst zweifelhafte Ansichten der entfernteren Familie zu entgehen und das kleine Warenkorbsymbol in Online-Supermärkten, dass sich ganz ohne den ohrenbetäubenden Lärm von etlichen Drahtgestellen, die hektisch über den vergilbten Fliesenboden der Tiefkühlabteilung manövriert werden, füllt. Und als wäre nicht all dies schon Grund genug, das wohlig leuchtende Monitorlicht den kaltblauen Xenonleuchten des Feierabendverkehrs vorzuziehen, locken auf nahezu jeder Seite Angebote mit Schlagworten wie „kostenlos“, „free“ oder „gratis“. Doch wieso sucht man nach solch scheinbar lukrativen Angeboten im analogen Bereich zumeist vergebens? Die Antwort mag zumindest denjenigen, die die wohlbekannten Cookiebanner nicht schon instinktiv mit einem müden Lächeln weggeklicken, nicht überraschen. Bezahlt wird mit einem Gut, das je nach Ausgestaltung deutlich wertvoller als Geld ist. Bezahlt wird mit Daten.
Der Status Quo
Dass sich der exorbitante wirtschaftliche Erfolg vieler Anbieter nicht aus der altruistisch motivierten Bereitstellung digitaler Produkte ohne Gegenleistung speist, liegt auf der Hand. Während der Nutzung der Dienste werden Daten gesammelt, aus denen wiederum die Anbieter beispielsweise durch den Verkauf personalisierte Werbeplätze Geld verdienen. Die Deklarierung als „umsonst“ ist also gewissermaßen eine Nebelkerze und sagt insoweit nur aus, dass als Gegenleistung nicht Euro, Dollar oder Bitcoin, sondern die Weitergabe von Informationen zu persönlichen Vorlieben, Interessen oder Lebensverhältnissen akzeptiert wird.
Der gesetzgeberische Ansatz
Diesem Umstand hat sich nun auch der Gesetzgeber angenommen und das Gesetz zur Neuregelung von Verbraucherverträgen über digitale Produkte als Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie der EU auf den Weg gebracht. Hinter dem etwas sperrigen Titel steht folgende Vorstellung: Wer persönliche Daten preisgibt, die nicht für die Ausführung des jeweiligen Dienstes benötigt werden, bezahlt mit seinen Daten. Aus dem juristischen Blickwinkel betrachtet ist also nun das Verbraucherschutzrecht anwendbar. Hieraus resultiert in erster Linie ein verstärkter Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher, der das „Bezahlen mit Daten“ dem herkömmlichen Bezahlen mit Geld probiert gleichzusetzen.
Die Neuerungen für Verbraucherinnen und Verbraucher
In der Praxis bringt dies einige Änderungen mit sich. Für Juristinnen und Juristen die Kurzform: Anwendung der §§ 312 ff. BGB und der §§ 327 ff. BGB. Für diejenigen, keine Lust oder keine Zeit für schwer verständliche Gesetzeslektüre haben: Zu nennen ist insbesondere, dass die Anbieter digitaler Produkte die Konnexität zwischen der Erhebung personenbezogener Daten und der eigenen Leistung benennen muss. Möchte also ein Unternehmen Daten sammeln, um personalisierte Werbung schalten zu können, so müssen Nutzerinnen und Nutzer hierzu explizit befragt werden. Im Anschluss muss die Möglichkeit bestehen, eben jene Datenerhebung abzulehnen. Darüber hinaus haben sowohl Nutzerinnen und Nutzer als auch Verbraucherschutzverbände die Möglichkeit, die Einhaltung der Verbraucherschutzvorschriften im digitalen Raum einzuklagen. Auch besteht für Verbraucherinnen und Verbraucher die unkomplizierte Möglichkeit, die gesammelten personenbezogenenen Daten zu erfragen und eine ursprünglich erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung zurückzuziehen. Hierfür reicht eine einfache Mail mit dem Anliegen an das jeweilige Unternehmen aus. Prinzipiell gilt dies auch für nicht-personenbezogene Daten, hier gibt es jedoch Ausnahmen. Zu nennen sind an dieser Stelle beispielsweise solche aggregierte Daten, die für eine statistische Erhebung der Websitebesuche erhoben werden. Diese Daten sind im Regelfall allerdings auch weniger sensibel, da sie keine persönlichen Informationen bezüglich der Person der Nutzerinnen und Nutzer beinhalten.
Zu bedenken ist allerdings, dass die Ablehnung einer Datenerhebung gegebenenfalls dazu führen kann, dass das Produkt dann nur noch eingeschränkt benutzbar ist. Auch haben Unternehmen jetzt die Möglichkeit, den Vertrag mit den Nutzerinnen und Nutzern zu kündigen, wenn diese ihre Einwilligung für die Verarbeitung ihrer Daten widerrufen und es dem Unternehmen hierdurch nicht zumutbar ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen.
Man wird sich darauf einstellen können, dass Schlagworte wie „gratis“ oder „kostenlos“ zumindest auf seriösen Seiten zunehmend verschwinden werden. Insofern also tatsächlich eine Angleichung der digitalen Welt an die analoge Wirklichkeit. Eine Angleichung im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, die in Zeiten der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen Gefallen an den Vorzügen des digitalen Raumes gefunden haben.
Mehr zu diesem Thema erfährst Du in unserer Podcast-Folge „Das neue Zahlen-mit-Daten-Gesetz“ mit Dr. Kristina Schreiber.
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